Volltext: Kaspar Hauser

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einen schlechten Streich spielten, um ihn zu erschrecken. Ich 
habe schon früher gesagt, daß ich solche Mittelwege in der 
Hauserfrage nicht verfolgen will. Ich halte ihn für einen 
Betrüger und glaube, daß er sich selbst die Wunde beigebracht 
hat. Erwiesen ist natürlich diese Anschauung ebenso wenig, 
wie die von einem wirklichen Mordversuche. 
Die Folge des Ereignisses war, daß Kaspar ein gründ— 
licher polizeilicher Schutz zu Teil wurde, und daß er seine 
Wohnung wechselte. Erst im Hause des Kaufmanns Biberach, 
dann 1830 in dem des Herrn v. Tucher, seines neuen Vor— 
mundes, wurde er untergebracht. Tucher gehörte zu den 
leidenschaftlichsten Hauserenthusiasten. Es ist sehr erklärlich, 
daß solche Personen sich Hausers mit Vorliebe annahmen, 
sowie, daß der Magistrat ihn ihnen gern überließ, da er von 
ihnen eine sorgsame und liebevolle Behandlung des An— 
vertrauten voraussetzen durfte. Aber zur Ermittelung der 
Wahrheit über Kaspars Persönlichkeit wäre es doch besser 
gewesen, er wäre einem Manne übergeben worden, der ihn 
etwas skeptischer betrachtete. Wer weiß, ob da nicht schon 
manches Indicium gegen Kaspar an den Tag gekommen wäre. 
Als verhängnisvolles Ereignis für Hauser betrachtet 
Herr v. Artin das Eingreifen des englischen Grasen Lord 
Stanhope, den er für einen Hauptverbrecher an dem unglück⸗ 
lichen Jünglinge häsft. Von dem vielen, was er hierfür 
anbringt, kommt u. a. der Umstand sehr in Betracht, daß 
Stanhope lange nicht so reich war, wie er es hätte sein 
müssen, um Kaspar zu adoptieren und ihm eine kostspielige 
Erziehung angedeihen zu lassen, und daß seine Familien— 
verhältnisse die Adoption nicht gestatteten. Nun sind aber 
alle Belege hierfür dürftig und meist auf bloßen Gerüchten 
aufgebaut. Ueber Stanhopes Persönlichkeit und Verhältnisse 
wissen wir wenig zuverlässiges. Wohl mit Recht nennt die 
Sachsenzeitung, welche Herr v. Artin gegen ihn citirt, ihn
	        
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