Volltext: Kaspar Hauser

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sache hin, nennt aber Niemand, der die Türe vorher ge— 
schlossen gesehen hat. Auch konnte Hauser, wenn er sich zu 
der That Zeit ließ und alles sorgsam vorbereitete, bevor er 
sich verwundete, die Türe recht wohl mittelst eines einfachen 
Hebels geöffnet haben. Die herkulische Leistung, die nach 
Feuerbach „unter andren Voraussetzungen (als Todesangst) 
ganz unmöglich gewesen wäre“ würde hiernach uns nicht 
mehr in Erstaunen setzen. 
Kaspar wurde im Fieber liegend gefunden und war 
längere Zeit schwer krank. Das spricht entschieden zu seinen 
Gunsten. War er der unter so abnormen Verhältnissen 
aufgewachsene Jüngling, so konnte er sich dauernd in einem 
krankhaften physischen Zustande befinden, und ein Ereignis 
wie der Mordversuch ihm einen tötlichen Schrecken einjagen. 
Doch darf man nicht vergessen, daß ein so nervöser Mensch 
wie er auch bei Begehung eines neuen Betrugs in hochgradige 
Aufgeregtheit geraten mußte, und daß das böse Gewissen und 
die Angst, seine Urheberschaft möge entdeckt werden, diese 
bedeutend steigern konnte. Ein heftiger Fieberanfall unter 
solchen Umständen wäre nichts befremdendes, zumal wenn 
Kaspar, wie ich schon früher als Vermutung hingestellt habe, 
etwa zwei Jahre vorher eine schwere Krankheit durchgemacht 
hatte. Ein starkes Nervenfieber hinterläßt im Körper oft 
derartige Schwäche, daß noch nach Jahren bei nur geringer 
Veranlassung neue Anfälle eintreten. 
Auffallend sind mancherlei Umstände bei dem angeblichen 
Mordversuche. Kaspar hatte an Wochentagen regelmäßig 
von 11-12 Uhr außerhalb des Haufes Unterricht, diesmal 
aber gerade war er wegen eines Magenleidens zu Hause ge— 
blieben. Der Mörder mußte sonach entweder mit den Tages— 
gewohnheiten Hausers sehr schlecht oder mit der Zufälligkeit 
gerade dieses Tages sehr genau Bescheid wissen. Er erzählte 
von den Kreuz- und Querwegen, die er nach Empfang der
	        
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