Volltext: Die Jerusalemfahrt Joachim Rieters aus Nürnberg (1608-1610)

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ZU DEN KL. SCHRIFTEN DER BRÜDER GRIMM 171 
Schatz und messer. Wenn das kind der mutterbrust nicht 
mehr bedarf und entwöhnt wird, so nennt man es den ersten verlust 
seines lebens, rührend ist es, wenn der tod die mutter von ihm schei- 
det, noch ehe es das alter erreicht hat, wo es dieser nahrung entbeh- 
ren kann. Auch hier trifft der tod des alten Martin in einem zeitpunkt 
ein, wo der teilnehmende leser erwartet, dass er den kleinen Berthold 
gleichsam grosssäugen soll zu den zu erwartenden grossen ereignissen 
seines Jebens. Er allein scheint wie ein siegel vor dem testament von 
Bertholds geschicke zu liegen und durch seinen tod scheint, wie durch 
das verletzen des siegels, dieses testament ungültig gemacht. Die ge- 
schichte lässt schnell gras drüber wachsen und beinah zu schnell breitet 
sich ein üppig ergiebiger obst- und blumengarien über die stätte seines 
todes aus. Die erzählung lässt sich hier durch die umstände etwas 
drängen und reisst die im anfang so wolgeordneten dämme durch eine 
überrumpelnde hochzeit etwas ein. Die versteigerung des gartens scheint 
uns meisterhaft, der wahrheit im gemüt gleichsam abgestohlen ist es, 
lass Berthold mit trockner fast erdrückter stimme seine fünf goldgül- 
den bietet, durch diesen umstand an sich klein macht sich die tüch- 
tigste eigenschaft des dichters sehr bemerkbar. Die erscheinung des 
alten ist woltuend, wer mögte den geist seiner kinderjahre nicht gern 
an einen ähnlichen schutzgeist ketten, überreich ist Berthold in diesen 
verhältnissen und fürstlicher bedient wie anerkannte fürstenkinder. Das 
widerfinden von traum, schatz, garten und haus, ist alles gut und ihm 
gegönnt; dass er aber Apollonia auch gleich mit verschlingen will, 
scheint etwas vorschnell. Die scene auf dem namensfest von Apollonia 
im ganzen sehr gut, im einzelnen zu überhäuft; so könnte das eichhörn- 
chen ganz wegbleiben, auch ist das gespräch von ritter und katzenritter 
stwas verwirrt. Sehr glücklich und seiner geahndeten abkunft angemes- 
sen zieht sich Berthold aus seiner verlegenheit, und sehr wahrhaft 
tölpelt das bürgerliche wesen des herrn bürgermeisters dafür zur treppe 
hinunter. 
(Der bau.) Die erscheinung des baumeisters macht uns die ver- 
bindung mit Fingerling und die abschiedsscene vom turme, welche 
etwas unbequemes hat, bald vergessen; er spricht gut, man mögte 
ihm noch länger zuhören, was er sagt ist aus dem geist, der dem 
uch gewicht gibt. So versöhnt uns auch erst das angestimmte Gloria 
mit der übereilung in der beschreibung vom wesen im nonnenkloster. 
(Die hohe fremde und ihr ritter. Der sturm.) Bei der 
erzählung der fürstin tritt die geschichte gleichsam aus einer engen 
haft hervor und breitet sich aus wie die teppiche, die die hohe frau
	        
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