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Wie erklärt sich nun die öffentliche Begeiste—
rung, die von Woche zu Woche zunahm, je näher Schillers
Geburtsfest rückte? Wie rechtfertigt sich die allgemeine Sym—
pathie für den Mann, der zuerst in stürmischer Jugendwallung
dem Beruf entfloh, für den er sich vorbereitet, später nur we—
nige Jahre und mit Unterbrechung Wissenschaften lehrte, die er
keineswegs völlig beherrschte, und eigentlich sein Leben lang
nichts weiter als ein Literat war? ein Literat, der von
Stadt zu Stadt mit der Feder nach Brot ging und selten so
viel erübrigte, um fremder Unterstützung oder Darleihen ent—
rathen zu können; der unstät zwischen Mannheim und Bauer—⸗
bach, Leipzig und Dresden, Jena und Rudolstadt schweifte,
fast niemals dauerndes Behagen, und erst zu Weimar, schon
halb dem Grabe verfallen, endlich seine Ruhe fand? Ist es
doch in diesen Tagen, als seien die Deutschen aus sich selbst
herausgetreten, bei denen die Dichtkunst beliebt, der Dichter
gering im Werth ist, er müßte denn auch einen bürgerlichen
Erwerb und von seinen Werken nachweisen können, daß sie
Spielereien seiner Freistunden seien. Maler, Bildhauer, Musi—
ker läßt man gelten; den VPoeten achtet man als eine Art
Müssiggänger.
Und gleichwol ist jeder Pfad geheiligt, den Schiller be—
treten, jeder Bau, den er bewohnt hat, vom Bäckerhaus in
Marbach bis zum Weinberghäuschen in Loschwitz, vom Bauern—
haus in Gohlis bis zur bescheidenen Wohnung auf der Espla—
nade zu Weimar, deren einfaches Geräthe von seinem prunk—
losen Dasein zeugt. Ein neu aufgefundener Brief, ein neuent—
decktes Gedicht, ein neues Stück Papier mit einem Zug seiner
Feder weckt Empfindungen, wie im gläubigen Sohn der alten
Kirche eine heilige Reliquie; ja beim bloßen Namen Schiller
beben die zartesten Saiten unserer Seele.