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Leibe los und schwang sich empor zu jenen lichten Höhen, wo reinere 
Erkenntnis und seliger Friede wohnen. 
Strauß war ein seltener, ein ideal angelegter, für alles Hohe 
und Gute glühender Mensch. Körperlich eine Eindruck machende 
Figur, groß, doch untersetzt, kräftig und gesund (bis in seine letzten 
Jahre), überragte seinen Rumpf der große Kopf des klaren, ruhigen 
Deunkers, unter dessen hoher Stirne zwei überbuschte Augen hell und 
klar, fest und doch auch mild, die Harmonie seines Seelenzustandes 
offenbarend, hervorleuchteten. Von ungewöhnlich starkem Verstande 
und tüchtiger Geistesbildung, zeigte er stets eine von der Sklaverei 
der Begierden und Leidenschaften befreite Seele. Ja er war ein 
freier Mann, frei von allen unklaren Vorstellungen, nebelhaften 
Phantasiegebilden und schlechten Gesinnungen; er war frei von dem 
niedrigen Sinn, der sich im Schmutze unreiner Reden und Hand— 
lungen gefällt; 
„Hinter ihm, in wesenlosem Scheine, 
Lag, was so viele bändigt — das Gemeine.“ 
dagegen war er feinfühlig und entflammt für alles Edle und Schöne. 
Er wußte, was er wollte, und wollte, was seiner, in rastloser 
Arbeit errungenen, sittlichen Uberzeugung entsprach. Dazu war sein 
Charakter von jener derben Geradheit, wie sie in unserer Zeit der 
übertünchten Höflichkeit leider immer seltener wird. In seinen frei— 
sinnigen Grundsätzen gab es für ihn keinerlei Konzessionen; fast 
stoisch streng und unverbrüchlich hielt er an dem fest, was er für 
das Wohl des Volkes, dessen wärmster Freund er war, als das 
dienlichste erkannt hatte. Er war ein Mann von der Zehe bis 
zum Scheitel, ein Mann von unbeugsamem Rechtssinne, furchtlos, 
frei, wahr und treu. Mit Wissen hat er wohl niemals eine 
Unwahrheit gesagt; Menschenfurcht kannte er nicht. Ebensowenig hat 
dauernder Haß in seinem Busen platz gegriffen. Wenn er in der 
Debatte seinen Gegner mit den schärfsten Worten bekämpft hatte, so 
zeigte er sich ihm darnach im geselligen Verkehr von der liebenswür— 
digsten Seite. Wenn aber seine Feinde ihn mit Kot bewarfen, so 
behandelte er sie mit einer gewissen Großmut, gleich als ob sie ihm 
nur Liebe und Freundschaft erwiesen hätten. Er war hart an sich 
und stellte auch große Forderungen an seine Nebenmenschen; aber er 
war auch gerecht, selbst gegen Andersdenkende, er war mitfühlend, edel, 
hilfreich und gut. Er war nie einer von denjenigen, die sich um den 
Schein eines gottseligen Wesens bemühen und seine Kraft verleugnen, 
er bethätigte seine Frömmigkeit durch regelmäßigen Besuch der Pre— 
digt und seinen Glauben durch sein sittliches, gottwohlgefälliges Handeln. 
So war der Mann, der, in einer ereignisvollen Zeit lebend, 
diese gestaltend auf sich wirken ließ. In der Wiege schon (1818) 
hörte er das Säuseln der Freiheit, das im Jahre 1848 zum mäch— 
tigen Rauschen wurde. Wie ein Jüngling schwärmte und sang er
	        
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