Volltext: Mein Kriegs-Tagebuch vom 29. Juli bis 1. September 1870

im Often fi zeigte, auf dem Weg, marfdhirten wir immer noch, al3 fie fich 
bereit neigte, felbjit dann noch, al3 man die Hand vor den Augen kaum mehr 
iehen Ffonnte. 
Wie waren wir froh, als wir nach Mgrecq Famen, mwojelbft wir bivouakiren 
jollten. Höhere preußifhe Offiziere ließen fiH im Dorfe fehen, woraus ich 
auf Anmwefenheit höherer Befehlshaber [Hloß. „Sie Hatten Heute einen lich: 
tigen Marfd zu machen“, fagte un ein preußifder Stabsoffizgier, „aber wir 
Änd bald am Ende. Wir find jeßt alle Geifammen, nun Fanns Tosgehen.“ 
„Nun, je eher, je lieber.“ 
DazZ ganze 2. bayer. Armee-Corps {tand auf einem Fleck vereinigt, vor 
und hinter uns bivouakirten jedoch noch weitere Abtheilungen, jo daß eine Un: 
zahl Wachtfeuer im Thale und auf der Höhe über die ganze LandfHaft ihren 
Slanz ergoffen, und würde ih nicht mit fammt meinen poetilhHen AUnjdhaunnz 
gen dur den Foloffalen Mar[ch fo erbärmlich müde gemwejen fein, ih Hätte mich 
fider nidht hingelegt, um zu ruhen, fondern wmäre gewandert, um zu fjehen. 
8 ijt eigenthümlich beim Soldaten, daß er, wenn er die Strapazen hinter 
fi@ und eine Kurze Zeit der Ruhe gepflegt Hat, da3Z Bedürfniz fühlt, wieder Iuftig 
zu fein. Unter Tag3 Hatte ih Feine SGejangsftimme erhoben ; aber kaum waren 
wir am Plage, als fofort Lieder [oSgelafjen wurden. Die einzigen Bokal-Mufikanten 
iaren wir nicht, denn Heute Konnte man Lieder aus allen Negionen Deuticdh: 
(and’3 Hören und interejjant mar e8 mir, die beiden Lieder „Morgen, geht’s 
nach Rigebüttel“ und „Auf der Alma, doa gibt’s koa Sünd“ dicht nebenein: 
ander von Preußen und bayer. Jägern fingen zu Hören. Den rothen SGejangs: 
faden aber, der fiH durchs ganze Thal zog, bildete „die Wacht am Rhein“, 
in der fi Nord und Süd einig zufammenfanden. 
Mid Unglüclidhften aller Unglüclidhen traf Heute noch der Dienft des 
BefehlehHolens. Noch Hatte ih nicht? genojjen, ‘al8 id fhon wieder abgehen 
mnßte, um den Sih des Brigadekommando’3 ausfindig zu machen. € war {trenge 
berboten, ohne Certififat nad Marcq Hineinzugehen, das noch immer von durch: 
ziehenden Kolonnen belebt, nnd mit Truppen mehr als überfüllt mar. Auf der Straße 
zu gehen war unmöglidh und in der egyptildhen Finfterniß tappte ih neben den 
Häufern her, mandmal mit denjenigen Vorrichtungen VekanntidHaft macdhend, 
die man aud) in unferen Dörfern vor den Häufern zu finden pflegt. RISglich 
ertönte ein geller Schrei, dem ein Wimmern folgte — ein Soldat war über; 
jahren worden. Der Offizier der Wache kam herbei, id) näherte mich eben: 
falls, doch war auch ärztliche Hilfe fojort am Plas. Der betreffende Wacht 
fommandant mochte mid für einen müßigen Zufdhauer anfehen, fragte nach 
meinem GCertififat, führte mich, da ich deffen Nidtbefig erklärte, als Arrejtan: 
ten zur Wache und fragte mich erft am Wachtlokal, wer ih denn eigentlich fei. 
„Nun, wie Sie fehen, bayerifdher Offizier.“ 
„Aber — Herr Kamerad — warum fagten Sie die8 nicht gleich, bitte um 
Entfdhuldigung, daR — —“ 
„D Bitte, ih bin Ihnen fehr dankbar, denn ih Hätte mich fonft kaum aus 
diefem Labyrinth hHerauzZgefunden und danke Ihnen wirklich recht HerzliH für 
diefe Arretirung.“ 
Zugleich deutete id) auf meine Stiefel, die des Ländlidhen jhon mehr als 
zu viel acceptirt Hatten und wollte wieder gehen, al8 er mid) bat, menig{jten8 
über feine Saftfreundfhaft zu verfügen, und id) murde in der That nicht eher 
[reigegeben, biz id) einige „Thränen“ Cognac nebft ent/predender Portion Sped 
und Brod zu mir genommen Hatte,
	        
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