Volltext: Mein Kriegs-Tagebuch vom 29. Juli bis 1. September 1870

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vielleiht momentan münfchte, weiß ih nicht; doch daß er am Viebften un8 mit 
jamınt der Barbarendienerin hHinausgemorjen Hätte, bin id überzeugt. 
Mit Eijien [ah’8 noch traurig aus und ich tröftete mich vorläufig mit dem 
alten Spruch: 
Entbehre, mas Dir Gott hefchieden, 
Genieße gern, was Du nicht Haft. 
Die Macht des Geldes bemährte jich Hier, wie überall, und eröffnete die 
Schleußen des KüchenHranks, der Spec, Eier, Schmalz und fonitige Lebens: 
bedürfnifje hinreichend Lieferte. 
Der Domeltiken ScOhaar laborirte aus dem Zufammengebrachten ein Sijen, 
das, wenn auch nicht gut, doch menigftens originell genug mar. 
Hier bekamen wir auch nad) (anger Zeit wieder Cigarren (jeder Soldat 
5 Stüc), die in einem Tabafdepot in Cile liegen aeblieben maren und welche 
wir dann natürliH — raubten. 
Ueberhaupt wurde alles Unangenehme, das für die betreffenden änder: 
(treden der Krieg mit fi brachte, ohne LogarithHmen in Mord, Raub, Dieb: 
jtahl, Rlünderung umgewandelt, Alles, um die in der neuften Neuzeit hinfäl- 
lig gewordene Sloire neu zu beleben. 
Wir rauchten gemüthlidH Abends unfere empfangenen franzöfilgen Negie- 
Berfhleiß-Cigarren; id glaube aber, daß das Fabrikat von der Sorte war, 
die felbit der Turkos mit Schaudern liegen läßt, fo daß wir zulebt darum 
tarrokten, mobei mir das Olück bejonder3 Hold war, indem ich diefelben glüd- 
Ticherweife alle verfnielte. 
20. Auguft, 
Heil fei dem Tag, an mweldHem Du bei uns erfhienen, — denn wir 
fonnten Heute mwenigitens einmal ausfchlafen und Hatten dies dem Umftande 
zu verdanken, daß die noch rücmwärts liegende 4. Divifion uns vormarfchiren 
mußte und wir fo erft um elf Uhr aufbrachen, 
Die Zeit don dem Ausgefchlafenhaben bis zum Abmarich verwendete ich 
zu einem Nundgang um, und einen Bummel durd) das Dorf. Was mir hier 
auffiel, das war die große Anzahl von praktifdhen eifernen Adergeräthen und 
Mafjdhinen, die ih in jedem Bauernhofe fah, einer der Punkte, In dem uns 
die Franzofen voraus find. Ich rief einige Soldaten herbei, die Srundbeliger 
waren und fragte diefelben nach dem Zweite diejer einzelnen Mafjchinerien, zu: 
aleid) aud, warum fie fih derartige nicht aufdhafften. 
„Koit” 3’vul Obio dbi franzöfildg Lumpermoar, mir macdhen’S mit der 
Hend.“ „Meinetwegen macht’8 wie ihr wollt.“ 
Um die Zeit todt zu fOhlagen, murde die Mufik zufammen getrommelt, 
um etmelde Ricgen zum Beften zu geben. Die Einwohner waren ganz närrifd) vor 
Freude und namentlid beliebte das fhöne Sejhleht Füße und Minen nad 
dem Takte der KMänge in Bewegung zu feben; nur die „Wacht am Rhein“, 
deren Mefrain von den Soldaten begleitet wurde, gefiel ihnen weniger; wüh- 
vend der deutfhen Marfeillaife, wie fie e8 nannten — wir erlaubten uns, 
dafür „Deutide Mitrailleufe“ zu feben — war daher Fein AWpplaus bemerkbar. 
Unfer Marfch führte uns zunädhft nad St. Aubin, einem Städten mit 
zngen, edigen, elend gepflafterten Straßen; von da nach Dey, das ziemlich 
mafleri[dj Halb auf der Anhöhe, Halb im Thale des Noitelle-Bacdhes liegt. Wir 
trafen heute ganz ausgezeichnet freundlihe Yuartierleute, die un fogar auch 
Zeitungen brachten, worin id zu meiner nicht geringen Beluftigung 1aS, daß 
Mac Mahon die Dfienfive erariffen, den Feind geworfen, 20000 Sefangene
	        
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