Volltext: Das Nachleben des Hans Sachs vom XVI. bis ins XIX. Jahrhundert

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natürlich hier mit einer Deutung nach einem etwas phantasievoll 
ımgestimmten Bilde zu rechnen.! 
Die Ausdeutung nach der humoristischen Seite hat denn auch 
Musaeus, der sich über Lavaters Physiognomie-Hascherei lustig 
machte, besorgt. Er nahm sich der Schuster an und erklärte, „daß 
Schuh- und Geniewesen“ sehr wohl „unter einem Huth“ vereinbar 
sei: „Beweißt nicht Hans Sachs, der Märtyrer aller Abwechselungen 
ınsers deutschen Dichtergeschmacks, der noch bey Menschen- 
zedenken‘ zur lauten Lache verurtheilt war, und nun vermöge in 
offenen Druck ausgegangenen Patentbriefes, aus einem verblichenen 
Meistersänger zum großen Dichtergenie ist umgestempelt worden; 
beweißt nicht der alte MeisterSchuster, der den Nürnberger Witz 
zuerst in solche Aufnahme gebracht hat, daß er dem Straßburger 
Geschütz und Augspurger Geld ist gleich geschätzt worden, und 
seiner poetischen Verdienste halber, neuerdings Bewunderer, Nach- 
ahmer, Beschützer, Verleger und Subskribenten gefunden hat: daß 
ein Schuster, ungeachtet seiner Mißgestalt, ’n Genie seyn könne?“®? 
Der „Patentbrief“ war von Musaeus gewiß nicht böse gemeint. 
Gelegentlich spricht Musaeus auch einmal von dem „Narrenfresser“3 
dessen Gestalt war durch Bertuchs. „Proben“ dem Publikum 
wieder vorgeführt worden — und von dem auf physiognomischen 
Reisen befindlichen Gutsbesitzer erfahren wir, daß er in seinem 
Antikenkabinett unter verschiedenen Büsten auch „das Schuster- 
Triumphirat, Hanns Sachs, Jacob Böhm und Peter Menadie“ besaß.* 
Durch die Bemühungen, die in Weimar der Wiedererweckung 
des Verständnisses für Hans Sachs galten, wurde das Andenken an 
den Nürnberger Meistersänger von den Schlacken, die Unkenntnis 
und Unverstand im Laufe der Zeit um ihn angehäuft hatten, gründ- 
lich gereinigt. Hans Sachs ist am Weimarer, Musenhof wieder in 
seine Rechte als Poet förmlich und feierlich eingesetzt worden und 
er ist von dieser Höhe niemals wieder in sumpfige Niederung 
herabgezerrt worden‘ 
Man könnte freilich darauf hinweisen, daß wenige Jahre nach 
L Vgl. oben $. 29. 
2 Joh. Karl Aug. Musaeus, Physiognomische Reisen. 2. Heft. Alten- 
Jurg, 1778, S. 45. 
3 Ebenda 92. Heft, S. 177. 
Ebenda 4. Heft, 1781, S. 123.
	        
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