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platz in den Himmel allein oder auch auf die Erde verlegt ist, 
empfängt die Komposition eine andere Gliederung. Die Stimmung 
endlich, und darauf beruht vorzugsweise die künstlerische Wirkung 
des Werkes, spricht sich nicht allein in den handelnden Personen 
aus, sondern pflanzt sich zu den landschaftlichen Hintergründen 
fort und findet hier einen starken Widerhall. 
Das erste Blatt, welches dem Herkommen gemäss, gleichsam 
zur Orientierung über den Scher die Marter des Evangelisten Johannes 
schildert, hält sich an die in den früheren grossen Holzschnitten 
übliche Auffassung der Natur und besitzt nur insofern einen be- 
sondern Wert, als es in einzelnen Bauteilen des Hintergrunds, in 
den Trachten an venetianische Erinnerungen anklingen lässt. Aber 
schon das dritte Blatt (B. 63) führt uns in die heimliche Werkstätte 
der Dürerschen Phantasie. Oben thront, von Regenbogen ein- 
geschlossen, Gott mit dem versiegelten Buche auf dem Schosse. 
Das siebenhörnige Lamm schmiegt sich ihm eng an der linken 
Seite an, während die „vier Tiere voll Augen vorn und hinten“, 
den Regenbogen zu beiden Seiten umschweben. Doch sind diese 
phantastischen Gestalten mit sichtlicher Zurückhaltung gezeichnet, 
so dass sie eigentlich nur einen dekorativen Charakter an sich 
tragen. Den grössten Nachdruck legt Dürer auf die vierundzwanzig 
Ältesten, welche teils ihre Kronen demütig dem Herrn darbieten, 
teils seinen Preis zu Harfen singen. Einer hat sich von der dichten 
Schar getrennt und spricht tröstend und ermunternd zu dem unter 
dem Throne Gottes knieenden Johannes. So bildet die Komposition 
der oberen Hälfte, durch Wolken von der Erde geschieden, eine 
fest geschlossene Kreislinie. Unten aber breitet sich, die stillfeier- 
liche Stimmung der himmlischen Scharen ergänzend, eine prächtige 
Landschaft aus. Rechts begrenzt sie ein Baumhag, links steigt auf 
einem Hügel ein stattlicher Burgflecken in die Höhe, die Mitte wird 
vorn von einer Wasserburg, hinten von einem weiten, ruhig flicssen- 
den See eingenommen. In ähnlicher Weise spiegelt in dem Blatt, 
welches die Verteilung der Posaunen an die sieben Engel und die 
furchtbaren Folgen des Posaunenschalles schildert (B. 68), die Land- 
schaft den Vorgang wieder. Mächtiger Sturm peitscht die Wolken, 
das Meer ist aus den Ufern getreten, die Felsen brechen, die Erde 
droht in Flammen aufzugehen. Oder wenn oben in den Lüften 
der Erzengel Michael mit dem Drachen kämpft, so zeichnet Dürer 
unten eine vom Wind bewegte, unruhige Landschaft mit kahlen 
Bergen und unfruchtbarem Boden. Die unheimliche Natur verstärkt
	        
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