Volltext: Albrecht Dürer

Kein Geringerer als Goethe sprach so harten Tadel aus. Aber 
Goethe, dessen Gedanken in der Jugend wie im Alter gern bei 
Dürer weilten, fand auch goldene Worte des Lobes. Er beugt sich 
vor der Gewissenhaftigkeit des alten Meisters. Die Welt, welche 
Albrecht Dürer sah, erscheint ihm bedeutend durch 
Ihr festes Leben und Männlichkeit, 
Ihre innere Kraft und Ständigkeit. 
Der „treffliche Mann,“ darauf läuft das Urteil hinaus, kann durch- 
gängig nur aus sich selbst erklärt werden. So lenkt uns Goethe 
auf den richtigen Pfad zurück und gicht uns den wahren Massstab 
in die Hand, Dürers Natur und künstlerische Stellung zu begreifen. 
Gross ist der Künstler zu nennen, welcher die überlieferten 
Gedankenkreise eines Volkes, die von Geschlecht zu Geschlecht 
vererbten Empfindungen in vollendete Formen kleidet, durch den 
reinen Hauch der Schönheit verklärt. Aber nicht minder gross ist 
auch der andere Künstler, welcher mit dem Einsatze seiner ganzen 
Persönlichkeit vorwärts strebt und, wenn die Volksseele von einer 
neuen Strömung erfasst wird, dieser aufmerksam folgt, sie in seine 
Phantasie aufnimmt und ihr einen künstlerischen Ausdruck verleiht. 
Der eine steht am Ende, der andere am Anfange einer Entwickelungs- 
reihe. Zu welcher Gruppe Dürer gehört, darüber kann kein Zweifel 
herrschen. Er selbst hat wiederholt stetiges Arbeiten, ununter- 
brochenes Streben als seine Lebensaufgabe bekannt und in seinen 
Werken die feste Absicht, den klaren Willen, die Kunst in neue 
3ahnen zu lenken, bekundet. 
Bei keinem Künstler unseres Stammes, bei wenigen Künstlern 
jenseits der Alpen tritt die Persönlichkeit so stark in den Vorder- 
grund, wie bei Dürer. Was denkt er? Was will er? Das ist die 
Frage, welche bei der Betrachtung seiner Werke am häufigsten 
über die Lippen kommt. Gewiss besitzen Dürers Zeichnungen, 
Stiche , Schnitte und Gemälde mannigfache selbständige Reize und 
sprechen für sich. Dürer wäre ja kein echter Künstler gewesen, 
wenn ihm die formale Schönheit gleichgültig geblieben wäre. Ihre 
grösste Anzichungskraft gewinnen seine Werke aber doch dadurch, 
dass regelmässig hinter ihnen die Gestalt des Mannes, welcher sie 
geschaffen hat, hell emportaucht und unsern Blick gefangen nimmt. 
Wir lesen in ihnen wie in einem Spiegel, was in Dürers Seele vor- 
geht, und cmpfangen von ihnen vorwiegend persönliche Eindrücke. 
Dürers Leben war ein fortwährendes Ringen und Kämpfen, ein 
ununterbrochenes Vorwärtsschreiten. Als Denkmale des Kampfes, als
	        
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