Full text: Verwaltungsbericht der Stadt Nürnberg für das Jahr 1926/27 (1. April 1926 bis 31. März 1927) (1926/27 (1927))

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Gesundheitswesen und Jugendpflege 
Die Bestimmung, wonach kein Pflegeplatz besetzt werden darf, der nicht zuvor vom Jugendamt, 
uind zwar für jedes unterzubringende Kind wieder von neuem genehmigt ist, setzt sich nur schwer durch. 
Auch die Vorschrift des Artikel 23 des Bayerischen Jugendamtgesetzes, wonach für Pflegeeltern und 
Pflegekind Bekenntnisgleichheit verlangt wird, wird vom Publikum oft außer acht gelassen. Da die 
Bestimmung des Art. 23 nach ausdrücklicher Anordnung der Vollzugsvorschriften „billig und ohne 
Härten“ durchzuführen ist, so pflegt der Anstalts- und Erziehungsausschuß des Jugendamtes die 
Pflegeerlaubnis trotz Konfessionsungleichheit regelmäßig zu erteilen, wenn die Versagung eine be— 
sondere Härte bedeutet hätte, also z. B. wenn die Mutter des Kindes ebenfalls bei den Pflegeeltern 
oder in deren Nachbarschaft wohnt; ferner wenn zwischen ihr und den Pflegeeltern besondere Ver— 
wandtschafts- oder sonstige Vertrauensbande bestehen, wenn, bei gemischter Ehe der Pflegeeltern, deren 
eigene Kinder in der Konfession des Pflegekindes erzogen werden, wenn das Pflegeverhältnis von 
vorneherein befristet ist, z. B. bis die Mutter heiratet oder bis die Eltern eine Wohnung erlangen. 
Trotz aller Bereitwilligkeit des Jugendamtsausschusses, die Anordnung des Art. 23 „billig und 
ohne Härten“ durchzuführen, mußte aber doch in rund 25 Fällen mit Rücksicht auf die Konfessions— 
ungleichheit die Pflegeerlaubnis versagt werden. In 5 Fällen ließ der sorgeberechtigte Elternteil 
darauf das betreffende Kind die Religion der Pflegeeltern annehmen, um es in der Pflege belassen 
zu können, in einem Fall trat ein Ehepaar zum Bekenntnis des ihm versagten Pflegekindes über. 
Im ganzen wurden im Laufe des Geschäftsjahres 83 Pflegeplätze gesperrt. In 4 Fällen legten 
die Beteiligten Beschwerde ein, die aber vom Landesjugendamt in allen Fällen verworfen wurde. 
Wegen Gefahr im Verzug mußten 6 Kinder gemäß 8 27 des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes 
aus der Pflegestelle fortgenommen werden. In 2 Fällen legten die Beteiligten Beschwerde ein; die 
eine wurde inzwischen vom Landesijiugendamt verworfen, das andere Verfahren ist noch nicht 
abgeschlossen. 
Kurz vor Weihnachten fand wieder die übliche Ehrung verdienter Pflegemütter statt, bei der 
38 Frauen mit Ehrenblatt und Ehrengabe ausgezeichnet wurden. 
Gemeindewaisenrat. Im Dezember wurde die Geschäftsstelle, mit Rücksicht auf die Raumnot 
im Dienstgebäude Albrecht-Dürer-Platz 10, ins Justizgebäude verlegt, wo ihr, dank des Entgegen— 
kommens der Verwaltung, ein geeigneter Raum in unmittelbarer Nachbarschaft des Vormundschafts- 
gerichts (und der Jugendgerichtshilfe) überlassen wurde. 
Die schon vor längerer Zeit begonnene Durchprüfung der Waisenliste steht nun vor dem Ab— 
schluß; zugleich wurde auch die Umschreibung auf die nach den Vollzugsvorschriften geforderte neue 
Mündelkartei vorgenommen, die Aufschluß über schätzungsweise 16000 Mündel (unter Einschluß der 
Amtsmündel und Vereinsmündel) gibt. 
Im ganzen wurden 9438 Sachen behandelt; sie betrafen in 1013 Fällen Vorschlag oder Begut— 
achtung eines Vormundes, Pflegers oder Beistandes, in 2626 Fällen Erziehung und Unterbringung 
oon Kindern usw. Die übrigen 5799 Sachen bezogen sich auf Veränderungen der Waisenliste, Uber— 
weisung von Mündeln von und nach auswärts, Personalangelegenheiten der Waisenräte usw. 
Die dem Jugendamt als Gemeindewaisenrat obliegenden Geschäfte wurden in der Hauptsache 
von den Waisenräten — ehrenamtlichen Helfern des Jugendamtes —, zum kleineren Teil von den 
amtlichen Organen — Familienfürsorgerinnen, Jugendvyfleger usp. — wahrgenommen. Es gelten 
hierfür folgende Richtlinien: 
a) Mündelüberwachung: 1. Amtsmündel, Mündel, die unter Jugendschutz stehen, Fürsorge— 
zöglinge sind oder die in hiesigen Anstalten untergebracht sind, werden von den amtlichen Berufs— 
kräften überwacht; 2. andere Mündel unter Einzelvormundschaft werden regelmäßig von den Waisen— 
räten überwacht; 3. Mündel der Vereinsvormünder sind durch Beschluß des Erziehungs- und Anstalts— 
ausschusses des Jugendamts von der Aufsicht befreit. Zu Ende des Geschäftsjahres standen z. B. etwa 
56 Mündel unter der Vereinsvormundschaft des Evangelischen Jugenddienstes, e. V. und etwa 
61 Mündel unter der des Katholischen Jugendfürsorgevereins e. V. 
b) Vorschlag eines Vormundes, Pflegers, Beistandes erfolgt: 1. für Amtsmündel, die an 
Einzelvormundschaft oder Vereinsvormundschaft abgegeben werden sollen, durch die Amtsvormund— 
schaft selbst; 2. für Geisteskranke und Geistesschwache, die entmündigt oder unter vorläufige Vormund— 
schaft gestellt sind, durch zwei ehrenamtliche Waisenräte, die zugleich Mitglieder des Vereins zur Pflege 
Geisteskranker sind: 3. für alle anderen regelmäßig durch den für den Wohnbezirk des Mündels zu—
	        
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