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Schreyer lässt sich seine Zimmer mit den Bildern von
Amphion, Orpheus, Apollo, den sieben Weisen und den
neun Musen schmücken und setzt Celtissche Verse darunter‘);
in dem Holzschnitt, der Ulsens ‘“Vaticinium’ beigegeben
ist, hat man eine Arbeit Wohlgemuts oder gar Dürers er-
kannt?); nach ungelenken Kopien, die Hartmann Schedel
in Italien von den Zeichnungen des Cyriacus von Ancona
genommen hat, fertigt Dürer Darstellungen Merkurs und
des den Knaben tragenden Delphins.®) Vor allem aber
bleibt es eine beachtenswerte Thatsache, dass Albrecht
Dürer 1493/4 nach Italien, nach Venedig zieht: der übliche
Hinweis auf die enge Handelsverbindung zwischen Nürn-
verg und Venedig reicht da nicht aus, denn sie bestand
schon lange Jahre vorher, und doch ist, soviel wir sehen
können, keiner von den älteren Nürnberger Malern diesen
Weg gegangen. Vielmehr ist in dem Jungen Maler, der ja
eben nicht nur Maler, sondern ein ganzer Mensch war,
gewiss durch die nun endlich offiziell gewordenen Be-
strebungen des Humanismus die Erkenntnis erweckt worden,
dass dort jenseit der Alpen das Moderne schlechthin zu
holen sei.
Nun muss man freilich nicht denken, dass mit solchen
inhaltlichen Anregungen auch schon die formale Kunstsprache
der Renaissance auf die Nürnberger übergegangen sei.
Die deutschen Frühhumanisten sind sich dieses engen Zu-
sammenhanges gar nicht recht bewusst: ihnen kommt es
auf den Inhalt an, die Ausdrucksformen mögen ruhig die
mittelalterlichen bleiben. Sebald Schreyers Wandbilder
werden nicht anders ausgesehen haben, als die Gemälde
im Bamberger Domherrnhofe des Albrecht von Eyb, aus
1) Hartmann S, 23.
2) ibid. S. 16,
3) id. S. 137