Volltext: Verwaltungsbericht der Stadt Nürnberg für das Jahr 1925/26 (1. April 1925 bis 31. März 1926) (1925/26 (1926))

226 
Gesundheitswesen und Jugenoͤpflege. 
davon her, daß bei ihnen infolge Fehlens geeigneter Heime in Aürnberg auch eine größere 
Zahl in der Verwahrlosung begriffener Psychopathen auf der Grundlage des Schwachsinns 
aufgenommen werden mußte. Erwähnt sei, daß in der Mädchenabteilung das Teppichknüpfen 
neu eingeführt wurde, ferner, daß bei der Jungenabteilung in mehreren Handwerksbetrieben 
nunmehr volle Lehrausbildung unter Abschluß von Lehrverträgen möglich ist. 
In der Zunahme begriffen ist Wohnungsnot und Alkoholismus. Diese beiden Zeitnöte 
brachten deshalb auch außerordentliche Hemmungen für den Erfolg der Arbeit der Abteilung. 
Von hiesigen und auswärtigen Gerichtsbehörden wurden insgesamt 710 Gutachten eingeholt. 
In der Wochenkonferenz der Abteilung Jugendschutz wurden 314 Fälle behandelt. Der 
Psychiater des Jugendamtes erstattete 218 Gutachten. Wie im Vorjahr beteiligte sich auch 
im Berichtsjahr die freie Jugendwohlfahrtspflege lebhaft an der Betreuung der gefährdeten 
Jugeno. 
Fürsorgeerziehung. Das neue Jugenorecht hat auf dem Gebiete der Fürsorgeerziehung 
eine Reihe von Änderungen bezw. Neuerungen gebracht, bei denen im einzelnen auf das 
Gesetz selbst verwiesen werden muß. Erwähnt sei nur, daß nunmehr anstelle der Bezirks⸗ 
oerwaltungsbehörden als Fürsorgeerziehungsbehörden die Jugendämter selbst getreten sind, 
also die Durchführung der Fürsorgeerziehung nunmehr eine Jugendamtsaufgabe und nicht 
mehr wie bisher eine distriktspolizeiliche Aufgabe ist. Die einschneidendste AÄnderung und 
zugleich einen großen Fortschritt stellt die Regelung der Kostentragung durch das bayerische 
Jugendamtsgesetz dar. Bisher wurden die Kosten der Fürsorgeerziehung vorläufig von dem 
zuständigen Ortsarmenverband bezw. Ortsfürsorgeverband bestritten, was zu vielen Unzu— 
träglichkeiten führte. Nunmehr ist der vorläufige Kostenträger der Kreis als Tandesfürsorge⸗ 
herband. Dies bedeutet eine wesentliche Vereinfachung des Zahlungsgeschäftes. Für den 
Bezirksfürsorgeverband Nürnberg, der ? /n0 der endgültigen Kosten der Fürsorgeerziehung, 
abzüglich des etwaigen Rückersatzes durch die Unterhaltspflichtigen bezw. das Jugendamt, 
tragen muß, entstand im Berichtsjahr für die Durchführung der Fürsorgeerziehung ein Gesamt⸗ 
aufwand von 62000 RM; bloß ein knappes !/0 der Kosten war von den unterhaltspflichtigen 
Angehörigen zurückbezahlt worden. 
Die Gesamtzahl der Nürnberger Fürsorgezöglinge, die im Vorjahr 1027 betrug, ist auf 
1008 zurückgegangen. Der Neuzugang ist etwas gestiegen, nämlich von 175 auf 184. 
Gegenüber der Inflationszahl von 2607 im Jahre 1923 bedeutet sie hoffentlich die endgültige 
Rückkehr zu gleichmäßigeren Verhältnissen. Eine Betrachtung der Neuzugänge nach Alter 
und Geschlecht ergibt, daß der Anteil der über 14jährigen gestiegen ist. Bei Kindern unter 
14 Jahren tritt die objektive Verwahrlosung, die besonders in den Kriegs- und Nachkriegs⸗ 
jahren eine besondere Rolle spielte, vollkommen zurück zu Gunsten der subjektiven Verwahr—⸗ 
losung. Es macht sich hier zweifellos die gute Wirkung einer Reihe von Erziehungsfaktoren 
außerhalb der Familie in zunehmendem Maße geltend. Der Anteil der Mädochen bei den 
Neuzugängen ist von 39,50/0 auf 44,50/0 gestiegen. Besonders hoch sind die Zahlen bei den 
I32, 15⸗ und 17jährigen. Die Gefährdung der Mäochen durch das Großstadtmilieu in der 
Pubertätszeit ist bekanntlich besonders start. 14 Mädchen waren bei Beginn der Fürsorge— 
erziehung geschlechtskrank, das ist rund! /z3 der 1420 jährigen. Straffällig waren bei Beginn 
der Fürsorgeerziehung 38 Jugenoliche. 
Von den Beschlüssen auf Fürsorgeerziehung, die das Jugendgericht Nürnberg im Berichts⸗ 
jahr erlassen hat, wurden auf die von den Erziehungsberechtigen eingelegte Beschwerde hin 
10 durch die Beschwerdeinstanzen aufgehoben; darunter befanden sich 7 Fälle nur aus dem 
Grunde, weil das Amtsgericht Nürnberg die vorläufige Fürsorgeerziehung auf Grund des 
Berichtes des Jugendamtes angeoroͤnet hatte, ohne selbst in eine Beweiserhebung einzutreten. 
Das Oberste Tandesgericht in München und nach ihm auch das Tandgericht Nürnberg stellten
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.