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Gesundheitswesen und Jugenoͤpflege.
davon her, daß bei ihnen infolge Fehlens geeigneter Heime in Aürnberg auch eine größere
Zahl in der Verwahrlosung begriffener Psychopathen auf der Grundlage des Schwachsinns
aufgenommen werden mußte. Erwähnt sei, daß in der Mädchenabteilung das Teppichknüpfen
neu eingeführt wurde, ferner, daß bei der Jungenabteilung in mehreren Handwerksbetrieben
nunmehr volle Lehrausbildung unter Abschluß von Lehrverträgen möglich ist.
In der Zunahme begriffen ist Wohnungsnot und Alkoholismus. Diese beiden Zeitnöte
brachten deshalb auch außerordentliche Hemmungen für den Erfolg der Arbeit der Abteilung.
Von hiesigen und auswärtigen Gerichtsbehörden wurden insgesamt 710 Gutachten eingeholt.
In der Wochenkonferenz der Abteilung Jugendschutz wurden 314 Fälle behandelt. Der
Psychiater des Jugendamtes erstattete 218 Gutachten. Wie im Vorjahr beteiligte sich auch
im Berichtsjahr die freie Jugendwohlfahrtspflege lebhaft an der Betreuung der gefährdeten
Jugeno.
Fürsorgeerziehung. Das neue Jugenorecht hat auf dem Gebiete der Fürsorgeerziehung
eine Reihe von Änderungen bezw. Neuerungen gebracht, bei denen im einzelnen auf das
Gesetz selbst verwiesen werden muß. Erwähnt sei nur, daß nunmehr anstelle der Bezirks⸗
oerwaltungsbehörden als Fürsorgeerziehungsbehörden die Jugendämter selbst getreten sind,
also die Durchführung der Fürsorgeerziehung nunmehr eine Jugendamtsaufgabe und nicht
mehr wie bisher eine distriktspolizeiliche Aufgabe ist. Die einschneidendste AÄnderung und
zugleich einen großen Fortschritt stellt die Regelung der Kostentragung durch das bayerische
Jugendamtsgesetz dar. Bisher wurden die Kosten der Fürsorgeerziehung vorläufig von dem
zuständigen Ortsarmenverband bezw. Ortsfürsorgeverband bestritten, was zu vielen Unzu—
träglichkeiten führte. Nunmehr ist der vorläufige Kostenträger der Kreis als Tandesfürsorge⸗
herband. Dies bedeutet eine wesentliche Vereinfachung des Zahlungsgeschäftes. Für den
Bezirksfürsorgeverband Nürnberg, der ? /n0 der endgültigen Kosten der Fürsorgeerziehung,
abzüglich des etwaigen Rückersatzes durch die Unterhaltspflichtigen bezw. das Jugendamt,
tragen muß, entstand im Berichtsjahr für die Durchführung der Fürsorgeerziehung ein Gesamt⸗
aufwand von 62000 RM; bloß ein knappes !/0 der Kosten war von den unterhaltspflichtigen
Angehörigen zurückbezahlt worden.
Die Gesamtzahl der Nürnberger Fürsorgezöglinge, die im Vorjahr 1027 betrug, ist auf
1008 zurückgegangen. Der Neuzugang ist etwas gestiegen, nämlich von 175 auf 184.
Gegenüber der Inflationszahl von 2607 im Jahre 1923 bedeutet sie hoffentlich die endgültige
Rückkehr zu gleichmäßigeren Verhältnissen. Eine Betrachtung der Neuzugänge nach Alter
und Geschlecht ergibt, daß der Anteil der über 14jährigen gestiegen ist. Bei Kindern unter
14 Jahren tritt die objektive Verwahrlosung, die besonders in den Kriegs- und Nachkriegs⸗
jahren eine besondere Rolle spielte, vollkommen zurück zu Gunsten der subjektiven Verwahr—⸗
losung. Es macht sich hier zweifellos die gute Wirkung einer Reihe von Erziehungsfaktoren
außerhalb der Familie in zunehmendem Maße geltend. Der Anteil der Mädochen bei den
Neuzugängen ist von 39,50/0 auf 44,50/0 gestiegen. Besonders hoch sind die Zahlen bei den
I32, 15⸗ und 17jährigen. Die Gefährdung der Mäochen durch das Großstadtmilieu in der
Pubertätszeit ist bekanntlich besonders start. 14 Mädchen waren bei Beginn der Fürsorge—
erziehung geschlechtskrank, das ist rund! /z3 der 1420 jährigen. Straffällig waren bei Beginn
der Fürsorgeerziehung 38 Jugenoliche.
Von den Beschlüssen auf Fürsorgeerziehung, die das Jugendgericht Nürnberg im Berichts⸗
jahr erlassen hat, wurden auf die von den Erziehungsberechtigen eingelegte Beschwerde hin
10 durch die Beschwerdeinstanzen aufgehoben; darunter befanden sich 7 Fälle nur aus dem
Grunde, weil das Amtsgericht Nürnberg die vorläufige Fürsorgeerziehung auf Grund des
Berichtes des Jugendamtes angeoroͤnet hatte, ohne selbst in eine Beweiserhebung einzutreten.
Das Oberste Tandesgericht in München und nach ihm auch das Tandgericht Nürnberg stellten