Volltext: Verwaltungsbericht der Stadt Nürnberg des Jahres 1919 (1919,1 (1920))

Soziale Fürsorge 
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1914 zum Zwecke der Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Bermietern und den der Kriegs— 
fürsorge angehörigen Mietern im Dezember 1914 ein Mietvermittlungsamterrichtet. 
Dieses Amt war nach der genannten Vong. eine kommunale, gemeinnützige Anstalt mit der Auf— 
gabe, zwischen Mietern und Vermietern zum Zwecke eines billigen Ausgleichs zupermitteln. 
Entscheidungsbefugnisse hatte es nicht. Es wurden zunächst drei Vermittlungs- 
stellen und zwar je eine beim Kriegsfürsorgebezirk 1: Bauhof 7, Kriegsfürsorgebezirk 3: Katz- 
wanger Straße 11, und Bezirk 6: Uhlandstraße 33, errichtet. Durch Min .Entschl. vom 1. Februar 
1915 wurde angeordnet, daß auf die von der Stadtgemeinde Nürnberg errichteten 3 Vermitt— 
lungsämter für die Kriegsfürsorgestellen die 882 und 3 der Bundesr. Vdng. vom 15. Dezember 
1914 gelten. Der Vorsitz in den 3 Vermittlungsämtern wurde von Richtern ehrenamtlich ge— 
führt. Als Beisitzer wurden Vertreter des Hausbesitzes und des Mietervereins aufgestellt. 
Die Vermittlungsämter wurden stark in Anspruch genommen und leisteten während des 
Krieges in Verbindung mit der Kriegswohlfahrtspflege gute Arbeit. In der Praxis zeigte sich 
indessen bald, daß die bisher erlassenen Mieterschutzgesetze lediglich einen prozessualen 
Schuttz boten, dagegen die materiellen Rechtsbeziehungen zwischen Ver— 
mietern und Mietern nahezu unberührt ließen. Es blieben z. B. die nach dem bürgerlichen Rechte 
ordnungsmäßig vorgenommenen ordentlichen oder außerordentlichen Kündigungen rechts— 
wirksam und machten bei Nichtbeachtung durch den Mieter diesen schadensersatzpflichtig. Die 
lange Dauer des Krieges und die im Verhältnis zum Wohnungsbedarf äußerst geringe Bau— 
tätigkeit brachte es allmählich mit sich, daß ein Mieter, dem ordnungsmäßig gekündigt worden 
war, eine andere Wohnung nur schwer finden konnte und es deshalb, vielleicht weil er die nicht 
unbeträchtlichen Umzugskosten scheute, vorzog, die alte Wohnung beizubehalten. Die 
Wohnungsknappheit und die häufig schwächere wirtschaftliche Lage der Mieter veranlaßte 
nun die Bausbesitzer nicht selten, von dem Mieter einen übermäßigen Miet— 
zins zu verlangen. Hiegegen bot die bisherige Gesetzgebung keinen Schutz; es erwies sich des— 
halb nach und nach immer mehr als notwendig, ohne Rücksicht auf die Kriegsteilnehmerschaft 
der Mieter, einen geeigneten Weg zu finden, um auch hier Wandel zu schaffen. Diese Frage 
bildete auch öfters den Gegenstand lebhafter Reichstagsdebatten, bis der Bundesrat am 26. Juli 
1917 die Mieterschutzverordnung erließ. Auf Grund dieser Vdng. und der Min. 
Bektmchg. vom 20. August 1917 wurde die Bezeichnung „Mietvermittlungsamt“ in „Mise t— 
einigungsamt“ umgewandelt und dieses ermächtigt: 1. auf Anruf eines Mieters über 
die Wirksamkeit einer nach dem 1. Juni 1917 erfolgten Kündigung des Vermieters, über die 
Fortsetzung des gekündigten Mietverhältnisses und ihre Dauer, sowie über eine Erhöhung des 
Mietzinses im Falle der Fortsetzung zu bestimmen, 2. auf Anrufen eines Vermieters einen mit 
einem neuen Mieter abgeschlossenen Mietvertrag, dessen Erfüllung von einer Entscheidung 
gemäß Ar. J betroffen wird, mit rückwirkender Kraft aufzuheben. Die Tätigkeit der Mieteini⸗ 
gungsämter erstreckte sich nun nicht mehr nur auf die Familien und Angehörigen von Kr iegern, 
sondern auf dieganze Bevölkerung Nürnbergs. ODer Gesetzgeber vermied es, die Kün— 
digung oder die Mietzinssteigerung allgemein zu verbieten, weil dies im Einzelfall eine Schädi— 
gung des durch den Krieg ohnehin hart betroffenen Hausbesitzes zur Folge gehabt hätte. Die 
Voͤng. eröffnete vielmehr die Möglichkeit, daß eine unparteiische Stelle auf Anrufen des Mieters 
über die Angemessenheit einer Kündigung des Vermieters und der von ihm beanspruchten Miet⸗ 
zinssteigerung entscheidet. Damit war das Einigungsamt nicht mehr nur Schlichtungs— 
st e lhe, sondern zugleich Schie ds amt, das endgültig durch Beschluß entscheidet. Angesichts 
der außerordentlichen Bedeutung, welche nunmehr den Einigungsämtern zur Behebung der 
Schwierigkeiten auf dem Gebiete des Mietwohnungswesens zukamen und mit Rücksicht auf 
die bedeutende Inanspruchnahme dieser Ämter durch die Beteiligten, wurden mit Inkrafttreten 
der Berordnung 3 weitere Mieteinigungsstellen und zwar beim Kriegsfürsorgebezirk 2 Fürther
	        
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