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und mühsam nach Fassung ringend. Kaum war das junge
Mädchen imstande, ihr Auskunft zu geben.
Frau von Praunfalk war klug. Sie ahnte sofort, daß sie
vielleicht noch heute den Schlüssel zu dem rätselhaften Wesen ihrer
Tochter finden würde. Aber so schwer es ihr wurde, zumal sie
ihr Kind leiden sah, sie fragte wohlweislich nicht und that, als
ob sie das außergewöhnlich aufgeregte Benehmen Helenas gar
nicht bemerke.
Sie war sicher, ihr Kind würde ihr sein Herz schon rechtzeitig
ausschütten.
So umfaßte sie Helena nur innig, zog sie auf die nächste
Ruhebank und fuhr zärtlich mit der Hand über ihr Haupt.
Wie ein Zittern ging es durch den schlanken Körper der
Tochter, und plötzlich barg sie, in Thränen ausbrechend, ihr
Gesicht an der Mutter Brust.
Gottlob! Der starre Bann war gebrochen, aber noch immer
fragte Frau von Praunfalk nicht, doch preßte sie ihr weinendes
Kind ans Herz und liebkoste seinen braunen Scheitel.
So saßen sie stumm eine Weile bei einander. Endlich hob
Helena ihr Haupt und versuchte zu sprechen, aber die Mutter,
die gewaltige Erschütterung der Tochter richtig ermessend, schloß
ihren Mund mit einem Kuß. „Heute nicht, mein Liebling, erst
mußt Du ruhiger werden und Dich sammeln. Morgen eröffne mir
Dein Herz und vergiß nie, eine treue Mutter bleibt stets die
hbeste Freundin und verschwiegenste Vertraute.“
Dankbar schaute Helena zur Mutter empor und küßte ihr
die Hand.
„Nun geh in Dein Zimmer, mein liebes Kind, Deine Thränen
braucht nur die Mutter zu sehen; ich bringe Dir Nachricht, sobald
ich Gewisses weiß,“ und liebevoll geleitete sie die Tochter in ihr
Gemach. Dann kehrte sie um und wartete, damit ja keiner das
zarte Geheimnis erraten könne, an der Treppe auf die Heimkehr
Brigittens.
Nachdem diese sodann, viel zu ausführlich für die ungeduldige
Mutter, berichtet hatte, ging letztere zu Helena, um ihre Tochter
zu beruhigen.
„Wer?“ rang es sich von Helenas Lippen.
„Der Junker von Königsmark ist verwundet, aber Gottlob!
anscheinend nicht lebensgefährlich.“