Metadaten: Mein Kriegs-Tagebuch vom 29. Juli bis 1. September 1870

als id das Sejhäft des Dankenz übernahm und die AbfchiedbshHand reichte, 
waren beide das perfonifizirte Mitleid und ftecten mir alle Tajchen vol, wor: 
über iq natürlid troß beften Willens nidht böfe fein Konnte. 
Draußen war noch pechkohlrabenfhmarze Nacht, die fiH erft beim ANbmarich 
zur Dämmerung neigte. Ein großer Theıl der Mannfchaft Hatte nichts Warz 
me3 im Leib, da der Befehl etwas überrafhend kam und die Menage, die 
Srüh 2 Uhr angefebt worden, theilmeife nicht fertig geworden war. 
ort gings wieder oder richtiger gelagt — Hinkte man wieder. Der Marich 
des vorigen Tages war gewiß Kein feiner, die Zeit der gegebenen Ruhe war 
ein Minimum, die Yuantität der Nahrungsmittel eine foldje, daß ihre Ver: 
größerung nur mit Freuden begrüßt worden wäre, 
Nach ungefähr einftündigem Marfch hielten wir, der LebenZmittelwagen 
fam herangefahren, e3 murde Brod vertheilt, von dem aber das Wenigite in 
den Brodfad wanderte, fondern direkt dem Orte feiner Beftimmung entge: 
gen gieng. - 
Unfer Weg gieng zunächft einige Stunden durch einen dihten Wald; die 
Sonne, die fi bis 10 Uhr noch Hinter Herumtreibenden Negenwolten ver: 
jtedte, Fam au wieder zum Vorjdhein und brannte auf unire Köpfe, als 
Hätte fie e& einzig auf uns abgefehen. KRedhtz Wald — linkz Wald, das ift 
die ganze Terrainbe[hreibung unjeres Morgen{pazierganges. 
Um 12 Uhr Famen wir an ein verlafifenes Dorf, in dem von, zum Me: 
quiriren vorausgefandten, AÜbtheilungen große Weinfucdhe gehalten wurde und 
nicht ohne Erfolg. Dies mar aber lange nicht das Merkmürdigite diefes un: 
merfmürdigen Nejtes; denn ftill und befheiden, wie die im Verborgenen blüz 
Henden VeildHen faßen rechts der Straße ein Häuflein macderer Nothhofen — 
die fterblidhen Ueberrefte eine ehemals gemefjenen, in diefer Nacht aber dur 
deutfche SGemaltthätigkeit gefangen genommenen franzöfijdhen Pilet3. „Das fieht 
ion beffer aus! Man fieht do mo und wie?“ Negt mar e8 mir hedeu- 
tend Leichter um’s Herz. Seit 3 Wochen Hatten mir nicht mehr das Ver: 
gnügen gehabt, gegneri[de Uniformen zu erbliden, von wegen denen wir doch 
zigentlid) da maren. IJebt Hatten wir wieder Fühlung mit den feit Wörth 
abtrünnig Gewordenen; und die Hoffnung, daß den ewigen Einerlei nun doch 
mieder WbmwechSlung nahe ftünde, zauberte Freude und Luft in daz müde SGebein. 
Bor dem Dorfe mußten wir wieder Halten, da die Straße gefperrt mar. Die 
Pioniere gingen vor und nach ungefähr Halbjtündiger Arbeit war der Weg 
wieder pafjjirbar. Unterdefjen Fam au der SGeneralftab vorgeritten und in: 
ipizirte das Misne:- Thal, Anlaß genug, um eine Mafje von AnjdhHauungen und 
Sedankenbauten über die Ereignifje der jebt kommenden Tage in’8s Leben zu 
eufen. Zur Unterhaltung und Belehrung machten wir, um Weg abzufdhneiden, 
zine Heine Kletterpartie über die zwifhen deriNisne und Aire gelegenen Höhenzüge, 
Sebirg und Thal, Wald, Sumpf und Feld, — Anes Fam Heut an die Reihe, 
Wahrhaft erquidend mar der Bli in daZ weite Thal der Mire 
mit feinen Dörfern und Ortfchaften, Die linke Thalwmand ift eine ziem: 
ld fOroff abfallende, während die rechte fid nur unmerkflid erhebt 
und au nicht der erftevren Höhe erreicht. Iın Thal, im grellften Konz 
trajt zu den grünenden Wiefen, zu dem friebliden Bild, das die 
Sandjhaft bot, erhob fig fteil ein Bergkegel, mit Nadelholz bewachfen, um 
beffen Hänge fi eine Ort{chaft z0g. Das Ganze Kam mir fo urplößlich 
und machte auf mich einen fo überraidhenden Eindruck, daß ih mich felbft gar 
nicht mehr Fannte. Wir ftiegen Herab in diefes glücfelige Thal und mar: 
ihirten ohne Unterlaß in demfelben fort. Seit irüh 4 Uhr, bevor die Sonne
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.