Volltext: Predigten am dreihundertjährigen Todestage Philipp Melanchthons, dem 19. April 1860

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man in der römifchen Kirche als Hriftlige Wahrheit vortrug, 
mit der biblifchen Lehre nicht ftimmte, und fein Herz fehnte 
fi® nad) immer reinerer Erfenntniß des Evangeliums, Und 
fo 30g e8 ihu denn au dahin, wo eben nad) der dunklen 
Nacht die Sonne des Evangeliums wieder im Aufgang war, 
wo eben vor Kurzem Luther mit feinen fünfundneunzig Sägen 
wider den Ablaß gegen die Irrlehren und Mißbräuche Der 
römifhen Priefterfchaft auf den Plan getreten war. Er wußte, 
daß er ein Arbeitsfeld voll Mühe und Kampf finden würde, 
aber er wollte gerne Mühe und Arbeit haben, wenn eS der 
Ehre des Herrn galt. Sein väterlidher Freund Reuchlin nahın 
Abfchied von ihm mit den Worten: „IH Icge auf Dich das 
Wort des Herrn, die Verheißung Gottes; Gehe aus Deinem 
RBaterlande und von Deiner Freundfehaft und aus Deines 
Vaters Haufe in ein Land, das id Dir zeigen will. Und ich 
will Didh zum großen Volk madhen, und wil Dich fegnen, und 
Dir einen großen Namen machen, und folljt ein Segen fein. — 
So fagt mir der Geift, und alfo hoffe id) von Dir, mein 
Nhilippus, mein Werk und mein Troft. Alfo gehe mit fröh- 
lidem und Heiterem Muthe!“ 
Und Melanhthon ging. Gleid am vierten Tage nach 
feiner Ankunft in Wittenberg begann er feine öffentlidhe Wirk- 
famfeit mit einer Nede über eine neue Einrichtung der Stu: 
dien. E€& machte einen etwas eigenthümliden Eindrud, als 
der junge Mann von zartem, fehwächlidgem Körperbau und 
mit einer etwas flammelnden Zunge vor die zahlreihe Vers 
fammlung trat. Aber gleich diefe eine Rede gewann ipm Aller 
Qiebe. Und nun ward Melanchthon, wie er fpäter allgemein 
genannt wurde, der Lehrer Deutfchland& ; nun begann feine 
weitgreifende Wirkfamkeit, an Deren Früchten wir heute noch 
zehren. Nun firömten von allen Seiten die jungen Männer 
herbei, um fid von ihm unterweifen zu Iaffen, Nicht blos
	        
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