106
währt dieser Anblick einen eigenthümlichen Reiz. Da
wir hier zum ersten Mal bei der Pegnitz angekommen
sind, die durch Schillers Distichon eine so wenig em-
pfehlende Bekanntheit erlangt hat, möchte es wohl am
geeignetsten sein, sogleich Etwas über den Ursprung
und Lauf derselben zu sagen. Der kleine Fluss mit seinem
gelben Wasser, von dem die Nürnberger so oft bedauert
haben, dass er nicht schiffbar sei, entspringt in der Nähe
von Creussen im bayreuther Oberland. Er ist anfangs
ein Forellenbach, grün und klar, durchströmt von Vel-
den bis Hersbruck ein romantisches Thal, wird aber
sechs Stunden oberhalb Nürnberg von Hersbruck an
durch den Lehmboden, den er durchschneidet, getrübt,
und hat bei Nürnberg fast beständig gelbes Wasser. Der
aufgelöste Lehmboden, den er mit sich führt, kommt
freilich der nürnberger sandigen Umgebung auch in ge-
wisser Weise zu Statten; denn da der Fluss jährlich
öfters aus seinen Ufern tritt und die angrenzenden Wiesen
überschwemmt, so lässt er ihnen immer eine dünne Lehm-
ablagerung zurück und verbessert auf diese Art den mag-
eren Sandboden. Die Ueberschwenmungen selbst haben
den nürnberger Einwohnern seit uralten Zeiten viel zu
schaffen gemacht, und man muss sich wundern, dass sich
bei diesem grossen Uebelstand die Stadt überhaupt so nahe
an die Flussufer drängen mochte. Auf der Südseite
steigen die Strassen längs der Ufer sogleich bergan, hier
kann die Ueberschwemmung wenig Schaden thun;z aber
auf der Nordseite, gegen die Burg hin, setzt sie in der
Regel die nächstgelegenen Gassen und Strassen, oft bis
zum ersten Stockwerk, unter Wasser. Die Einwohner
dürfen zum mindesten einmal jährlich auf eine solche
Unterbrechung des Verkehrs und Störung des Haus-
wesens gefasst sein. Man fährt sodann in Kähnen durch
die unter Wasser gesetzten Strassen, um den Bewohnern
das Nöthigste zu verabreichen. Glücklicher Weise dauert
eine solche, durch die Mitte der Stadt sich ziehende Ueber-
schwemmung immer nur einen oder ein Paar Tage. Auf
der anderen Seite bringt freilich dieser kleine Fluss durch
die vielen Werke und Mühlen, welche er treibt, der Stadt
einen sehr bedeutenden Nutzen. Schon mehrere Stunden
vor Nürnberg haben ihn die nürnberger Kaufleute zur
Anlage von allerlei gewerblichen Etablissements benutzt.