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ständig abgestreift, wie in diesem kleinen Bilde. Mit ihm lässt sich
der zwölfjährige Christus, was malerische Wirkung betrifft, nicht ver-
gleichen. Die Bedeutung des letzteren liegt darin, dass Dürers persön-
liche Entwickelung in ihm einen mächtigen Schritt vorwärts macht.
Bisher hatte er doch wesentlich nur den äusseren Proportionen, den
nathematischen Verhältnissen die Aufmerksamkeit zugewandt. Jetzt,
durch Leonardos Muster angefeuert, zicht er auch die Physiognomik
ınd die Erfindung von Charaktertypen in den Kreis seiner Studien.
Leonardo ist der dritte italienische Meister, in dessen Fuss-
stapfen Dürer tritt. An Jacopo de’ Barbari schliessen sich Mantegna
und Lionardo an. Eine merkwürdige Wahl und Folge der Künstler-
ideale, ebenso bezeichnend für Dürers Stellung zur italienischen
Kunst, wie aufklärend über seine eigene Natur. Die berühmtesten
ınd bedeutendsten venetianischen Maler, in deren naher Nachbar-
schaft er verkehrte, liessen ihn kalt. Man spricht wohl vom Ein-
Ausse Giovanni Bellinis. Doch ist dessen besondere Malweise in
Dürers Bildern nicht nachweisbar und was Dürer von den Vene-
tianern angenommen hatte, beschränkt sich vorwiegend auf einzelne
Kompositionsregeln. Dürers Madonnen auf dem Throne seit 1506
vekunden sein Verständnis der feinsinnigen Anordnung, die vor-
nehme Auffassung, welche in der venetianischen Schule sich ein-
gebürgert hatte. Auch der wohlthuende, dem Auge gefällige Gegen-
satz des anmutigen, fröhlichen Engels zu Füssen des Thrones im
Gegensatz zu der strenger abgemessenen, ernsten Hauptgruppe
blieb ihm nicht verborgen. Wir entdecken solche psaltierende
Engel an den Stufen des Thrones in den späteren Schöpfungen
Dürers recht häufig. Von einer durchgreifenden Einwirkung der
Venetianer auf seine Phantasie, so dass sie eine Stilwandlung hervor-
‚ief, können wir keine Spur nachweisen. Das zeigt am besten das
Porträt eines jüngeren, etwa dreissigjährigen Mannes aus dem Jahre
1507 in der Wiener kaiserlichen Galerie. Der Farbenauftrag er-
scheint in dem (verputzten) Bilde etwas weicher, verschmolzener.
Aber in allem Übrigen, in der Haltung des Kopfes, in der Zeichnung
des rotblonden Haares, in der Richtung des Blickes und der Be-
handlung des Pelzwerkes, in der scharfen Abhebung des Brustbildes
von dem dunklen Hintergrunde, begrüssen wir den alten deutschen
Dürer. Es waren auch, wenn wir von dem Feinmaler Barbari ab-
sehen, auch nicht in erster Linie die anatomischen Vorzüge, welche
ihn an die Helden der oberitalienischen Malerei fesselten. Mantegnas
kühne Zeichnung, dessen Verkürzungskunst und Kraft, wuchtige