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Erster Teil. Der Rat,
wollen, ein Ratsmitglied bitten, dafs es ihnen eine Audienz beim Rate
erwirke, oder aber an ihrer Statt die Sache dem Rate vortrage. Zu letzterem
Zwecke pflegen sie ihrem Mittelsmann auch wohl einen Brief oder einen
formlosen Zettel einzuhändigen, welcher das enthält, was sie zur Kenntnis
des Rats gebracht wissen möchten.
$ 3. Die Umfrage,
Der unbeschränkten Redefreiheit entsprechend kann ursprünglich auch
jeder, der in den Rat zugelassen wird, nach Belieben Fragen an die An-
wesenden richten, um ihre Meinung über eine Sache zu erfahren. Aber
nicht jeder Befragte wird sich bemüfsigt ‚sehen, zu antworten, und andere
wieder, welche sich zur Antwort bereit finden lassen, werden sich doch
nicht unter allen Umständen an ihre Antwort gebunden fühlen. Deshalb
ist eine Behörde von. Rats wegen ermächtigt, den versammelten Mitgliedern,
so oft es ihr um der Stadt willen nötig erscheint, zu befehlen, auf die
ihnen. vorgelegten Fragen bindende Antwort zu geben. Wer zu erfahren
wünscht, wie sich der Rat zu einer bestimmten Angelegenheit stellt, mufs
sich an diese Behörde wenden und sie bitten, ihm „eine Frage zu thun“,
d. h. jedem einzelnen Ratsmitglied die Frage, welche er beantwortet haben
möchte, von Amts wegen vorzulegen. Die zur Stellung der Frage er-
mächtigte Behörde hat in jedem Falle erst zu prüfen, ob die Frage nach
Inhalt und Form, Zeit oder Umständen vor den Rat gehört. Scheint ihr
dies nicht der Fall zu sein, so lehnt sie die Fragestellung ab, um den Rat
nicht unnötig zu behelligen. Dem Zurückgewiesenen bleibt es dann über-
lassen, sich entweder bei diesem Bescheide zu beruhigen, oder einen Rats-
beschlufs darüber zu beantragen, ob man ihm die Frage thun solle,
oder nicht.
Die an den Rat gerichtete Frage nimmt stets Bezug auf ein vorher-
gehendes „Anbringen“. Enthält dieses schon einen Beschlufsantrag, so lautet
sie: Will der Rat der vorgetragenen Meinung beitreten oder nicht? Andern-
falls wird nur gefragt: Was beschliefst der Rat über die vorgetragene
Angelegenheit? — Die Antwort der einzelnen Ratsmitglieder hat dem-
gegenüber stets die Form eines motivierten Beschlufsantrags oder Urteil-
vorschlags: „Aus den und den Gründen erachte ich es für gut, dafs das
Anbringen in der und der Weise erledigt, die Sache so oder so entschieden
werde“, Wer zuerst befragt wird, hat seine Meinung in extenso selbst vor-
zutragen. Jeder Folgende dagegen braucht dies nur insoweit zu thun, als
er zu den Ausführungen seiner Vorredner etwas Neues hinzuzufügen oder
eine bisher noch nicht vertretene Ansicht geltend zu machen hat. Ist