Einleitung
Derselbe war nach seiner Art
Mit so viel Tugenden gepaart,
Daß er bis auf den heutgen Tag
Noch für'n Poeten gelten mag,
Wo deren doch unzählig viel
Verderben einer des andern Spiel.
Und wie, auch noch so lange getrennt,
Ein Freund den andern wieder erkennt,
Hat auch ein Frommer neuerer Zeit
Sich an des Vorfahren Tugend erfreut
Und hingeschrieben mit leichter Hand,
Als stünd' es farbig an der Wand,
Und zwar mit Worten so verständig,
Als würde Gemaltes wieder lebendig
Mit diesen Versen leitete Goethe im Jahre 1828 eine Auf—
führung des Deinhardstein'schen Dramas „Hans Sachs“ in Berlin
ein, vor welcher auf Veranlassung des Theater-Intendanten mit
des Dichters Erlaubnis „Hans Sachsens poetische Sendung“ vor—⸗
getragen wurde. Mit diesem Gedichte, das Goethe gleich im
Sinne Hans Sachsens als „Erklärung eines alten Holzschnittes“
bezeichnete, hatte er im Jahre 1776 seine Teilnahme für den
länger als ein Jahrhundert verkannten, ja fast verschollenen
Nürnberger Meister bekundet und das Verständnis desselben neu
geweckt.“ Mit feinstem Sinne zeichnet er hier das Wesen eines
echten Dichters, entwirft mit sicheren Strichen das Bild unsres
Meistersängers und zeigt, worin er sich mit ihm geistesverwandt
fühlt. Eine ganze Reihe von Dichtungen, von denen hier be—
sonders der Faust und die Legende vom Hufeisen zu erwähnen
sind, bekunden deutlich genug den Einfluß, welchen Goethe dem
Vorbilde gestattete, und im 18. Buch von „Dichtung und Wahr—
heit“, wo er von der Unsicherheit in der Behandlung des Verses
in den siebziger Jahren spricht, hat er seine Stellung zu Hans
Sachs folgendermaßen bezeichnet: „Um einen Boden zu finden,
worauf man poetisch fußen, um ein Element zu entdecken, in
dem man freisinnig atmen könnte, war man einige Jahrhunderte
zurückgegangen, wo sich aus einem chaotischen Zustande ernste
Tüchtigkeiten glänzend hervortaten, und so befreundete man sich
auch mit der Dichtkunst jener Zeiten. Die Minnesänger lagen zu
weit von uns ab: die Sprache hätte man erst studieren müssen.
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