einen möglichst knappen Abriß dessen zu geben, was bisher
über Hauser festgestellt und vermutet worden ist.
Es besteht die Gefahr, daß viele von Ihnen vielleicht
das eine oder das andere oder auch mehrere Bücher über
Hauser gelesen und sich danach ihr Urteil gebildet haben.
Das genügt in diesem Falle keineswegs; denn ich muß
sogleich das einigermaßen beschämende Eingeständnis
machen: Die Literatur über Kaspar Hauser, die sich heute
über beinahe hundert Jahre erstreckt und nach einer neu
erschienenen bibliographischen Zusammenstellung über
tausend Nummern umfaßt, ist — man kann wohl sagen —
traurig; sie ist schrecklich deshalb, weil sich darın nirgends
eine vollkommen sachliche, parteilose Darstellung unter
Trennung des Bewiesenen vom Unbewiesenen findet. Alle
die Leute, die bis vor kurzem über Hauser geschrieben
haben, wollen irgendeine Meinung durchsetzen, entweder,
daß er ein abgefeimter Betrüger oder daß er ein badischer
Prinzensohn gewesen sei. Dies ist die Spaltung, die
eigentlich die ganze Literatur beherrscht: Kampfschriften
und Polemiken, und dabei leider die Übung, daß jeder aus
der ganzen Geschichte das herausläßt, was ihm nicht in
den Kram paßt.
In neuerer Zeit ist nun eine gewisse Besserung einge-
treten; es sind eine Anzahl wichtiger Schriften erschienen,
und ich darf vielleicht gleich die Bücher nennen, die für Sie,
wenn Sie sich genauer über das Thema unterrichten wollen,
in Betracht kommen. Da ist zunächst eine Broschüre von
etwa hundert Seiten, verfaßt von dem bekannten Roman-
schriftsteller Rudolf Stratz. Sie zeichnet sich dadurch aus,
daß sie vollkommene Klarheit über die genealogischen Ver-
hältnisse des badischen Fürstenhauses in Form einer Ta-
belle gibt. Ohne solche Tafel läßt sich diese sehr ver-
wickelte Frage gar nicht verstehen. Stratz bringt die Tat-