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Professor von Lützow: Das Repertorium als Kongress-Organ hinzustellen,
ist nicht möglich, wenn ihm seine bisherige Stellung gewahrt bleiben soll. Freudig
aber befürworte ich den Antrag Stiassny insofern, als der Kongress den ständigen
Ausschuss beauftragen möge, Schritte zur Fortführung des Repertoriums zu thun.
Die Anträge kommen zur Abstimmung.
Der Antrag, betreffend das Repertorium, wird angenommen,
der Antrag, betreffend das Meyersche Künstler-Lexikon, wird
abgelehnt.
Vortrag des Herrn Professor Dr. Joseph Neuwirth-Prag:
‚Das mittelalterliche Krakau und seine Beziehungen zur
deutschen Kunst.“
(Durch zahlreiche Photographien erläutert.)
An den Namen Essenweins, des genialen Organisators jenes Instituts, dessen
Räume sich gastlich für die Abhaltung des Kongresses der Kunsthistoriker geöffnet
1aben, knüpft sich das heute gewiss noch uneingeschränkt zugestandene Verdienst,
durch eine reich ausgestattete Publikation die Aufmerksamkeit der Fachkreise auf
eine Stadt gelenkt zu haben, welche, obwohl vom grossen Strome deutschen Lebens
und Schaffens seitab liegend, in ihren Kunstdenkmalen grossenteils hervorragende
Schöpfungen deutscher Meister vergangener Jahrhunderte und mit denselben eine
ınbestreitbare Bedeutung für die Geschichte der deutschen Kunst besitzt. Immer
bietet noch zur Stunde Essenweins Arbeit über Krakau und seine Kunstschätze
weitaus das brauchbarste, was insbesondere über die mittelalterlichen Kunstwerke
der ehemaligen polnischen Krönungsstadt, in welcher durch Jahrhunderte die Fäden
aller kulturellen Bestrebungen Polens zusammenliefen, weiterhin bekannt wurde. Wenn
ich es am heutigen Tage dennoch wage, vor Ihnen, trotz Ihrer Kenntnis des
Essenweinschen Werkes, über das mittelalterliche Krakau und seine Beziehungen zur
deutschen Kunst zu sprechen, so will ich damit nicht nur die dankbare Erinnerung
unsrer Wissenschaft gegenüber dem hervorragenden Forscher an der Hauptstätte
seines rastlosen Wirkens pietätvoll beleben, sondern auch neuerlich dazu anregen,
den keineswegs in jeder Hinsicht erschöpfend klargelegten deutschen Einflüssen auf
Krakaus Kunstleben genauer nachzugehen und in allen berücksichtigenswerten Einzel-
heiten zuverlässig festzustellen, welche Edelsteine in dem durch hohen Kunstwert
fesselnden Denkmälerdiademe der einst so stolzen und reichgeschmückten Städte-
königin Polens deutschem Geiste und deutschem Kunstsinne, deutscher Kunstübung
and deutscher Kunstfertigkeit die künstlerisch anmutende, oft hochinteressante Form
verdanken.
Turmreich und mit den Resten alter, prächtiger Befestigungsanlagen geschmückt,
gemahnt den Beschauer das‘ Äussere des Krakauer Stadtbildes zunächst an jene
Städte, welchen die deutsche Kirchenbau- und Befestigungskunst des Mittelalters ihr
cCharakteristisches Gepräge verliehen hat. Die Anlage der alten Stadtteile reicht mit
der Anordnung der Hauptgebäude, z. B. des ehemaligen Rathauses oder der Marien-
kirche, im Verhältnisse zu dem im Herzen der Stadt begeenenden Marktplatze, mit