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zieren sind, oder sie sind völlig verbrannt, und die Stelle der Bestattung
wird nur noch durch die Beigaben angedeutet. Wir haben in der Tabelle
die niedrigsten und unzweifelhaft durch Schädelfunde u. dgl. gerechtfertigten
Zahlen angeführt, obwohl wir überzeugt sind, dafs der doppelte Betrag
noch nicht zu hoch gegriffen wäre. Aus der ersten Kolumne geht hervor,
dafs unter 25 Grabhügeln nur einer (Vogelherd II) als Einzelgrab diente,
während die Mehrzahl 5—6 Leichen enthielt. Die Mehrbestattung ist
also nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Ja, manchmal steigt
die Zahl der vorgefundenen Skelette ins Ungemessene: ein Grabhügel im
Gstäudi*) bei Altdorf enthielt Wagenladungen voll Menschenknochen, mit
welchen die Bauern ihre Felder düngten.
Aus den weiteren Kolumnen ist zu sehen, dafs etwa 67 % der Leichen
ohne Feuer bestattet, und 33 % verbrannt worden sind; ferner, dafs 45 %
mit Broncebeigaben und 55 % ohne solche beerdigt wurden. Die Mehr-
bestattung könnte eine doppelte Erklärung finden: entweder haben die Leute
in späterer Zeit die schon vorhandenen Hügel benützt, um ohne Mühe für
einen Toten eine sichere Ruhestätte zu finden, — Nachbestattungen
zufälliger Art; oder ein und derselbe Hügel wurde von friedlichen, an-
sässigen Gemeinden als fortdauernder Friedhof, vielleicht für eine Familie
oder Sippe, benützt. Die erste Erklärung trifft gewifs in manchen Fällen
zu, besonders in Gegenden, welche von römischen Truppen durchzogen
wurden; aber die Mehrzahl der Hügel unseres Gebietes hat wohl dem
letzteren Zweck gedient, wie besonders aus der Betrachtung der Nekropolen
Beckersloh und Labersricht hervorgeht. Dort kann man deutlich ver-
folgen, wie die Beigaben älterer Bestattungen gegenüber solchen aus späterer
Zeit ein altmodisches Gepräge tragen, das mit dem Abstand der Zeiten
wächst; aber die Übergänge sind meist deutlich erkennbar.
Nicht blofs in den Beigaben, auch in der Bestattungsweise drückt
sich dieser Zeitenunterschied deutlich aus, da die älteren Bestattungen in
Beckersloh sämtlich Leichenverbrennung zeigen, die späteren ausnahmslos
Erdbestattung. In Labersricht, dessen älteste Beerdigungsweise in die
Broncezeit fällt, gehören die jüngeren Erdbestattungen und die Brandgräber
mit calcinierten Skelettresten gleichfalls der Hallstattperiode an.
Es ist eine ganz merkwürdige, aber feststehende Thatsache, dafs im
Gebiet während der jüngeren Hallstattzeit die Leichen teils ver-
brannt, teils ohne Verbrennung bestattet worden sind. Ein Blick
in die zweite und dritte Kolumne unserer oben angeführten Tabelle lehrt
zunächst, dafs von den Leichen der jüngeren Hallstattperiode (in der zweiten
Kolumne sind 32, in der dritten 4 Broncezeitleichen abzurechnen) ungefähr
59%, ohne Verbrennung und 41% mit Verhrenung bestattet worden sind.
*) Festschrift zur Begrüfsung des XVII. Kongresses der deutschen anthropol
Gesellsch. in Nürnberg, 1887. S. 59