fullscreen: Kaspar Hauser

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Herr v. Artin bringt weitere unverbürgte Nachrichten 
über die Rolle, die Pfarrer Dietz bei dem Geheimnisse ge— 
spielt haben soll. Danach hat diesem die Mutter des unter— 
geschobenen Kindes alles gebeichtet, er es aber merken lassen, 
daß er im Besitze des Geheimnisses sei, worauf ihm die 
einträgliche Pfarrei Hochsal und daselbst die Obhut über den 
Prinzen übertragen wurde. Durch ihn erfuhren es andere 
Geistliche, denen dann der Mund durch gute Pfründen ge— 
schlossen wurde. Für alle diese Nachrichten wird kein Beweis 
gebracht. Sie beruhen auch bei Artin auf einem bloßen 
„soll“. Die Erzählung von der Plauderei des Pfarrers 
Dietz auf einer Bauernhochzeit klingt sehr romanhaft, und 
wenn auch noch bis vor kurzem Leute gelebt haben, die „bei 
jener Hochzeit waren“ so ist damit wenig gesagt. Dasselbe 
gilt von der 1816 im Rhein gefundenen Flasche mit der 
lateinischen Mitteilung, wonach der Schreiber sich in einem 
unterirdischen Kerker bei Lauffenburg befindet und strenge 
und grausam bewacht wird. Der Ort sei dem, der sich seines 
Thrones bemächtigt habe, unbekannt. Wenn die ganze Er— 
zählung nicht blos eine Zeitungsente ist, so hat sie doch 
wenig auf sich. Den Umstand, daß 1816 nicht der Thron— 
räuber Ludwig, sondern der Vater des angeblich geraubten 
und eingekerkerten Kindes regierte, halte ich doch für sehr 
erheblich. Wenn ein Mitwisser des Geheimnisses den Drang 
spürte, einen Faden zur Entdeckung auftauchen zu lassen, 
wird er so leicht keine „absichtliche Unrichtigkeit“, welche 
alles vereiteln kann, anbringen. Noch unwahrscheinlicher 
klingt die „wirkliche Unwissenheit“. Gewiß sind auch ge—⸗ 
bildete Leute, welche solch tadelloses Latein schreiben, mitunter 
in dynastischen Verhältnissen schlecht bewandert. Aber der 
Mitwisser eines so wichtigen Geheimnisses wird sicher die 
Verhältnisse, die mit demselben in Verbindung stehen, kennen, 
und wenn er weiß, daß der eingekerkerte Knabe der badische
	        
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