Objekt: Anselm von Feuerbach, der Jurist, als Philosoph

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bietet, ohne sie der Lüge zu strafen? Nein. „So gewiss ich 
von jener: Pflicht als Bürger dieser Welt überzeugt bin, so 
gewiss bin ich überzeugt, dass der Fortschritt meines Ge- 
schlechts nicht das Hirngespinst eines Träumers ist”... Diese 
Ueberzeuzung berechtigt uns auch, den Menschen in seiner 
Reife, inı höchsten Glanz seiner Würde, am äussersten Rand 
der Geschichte zu denken. „Hier ist es, wo er in seiner vollen 
Reife dasteht. Der Mensch am Ziel ist Herr über die Natur 
und Herr über sich selbst. Er ist entbunden von allen fremden 
Gesetzen, die ihm Gewohnheit, Willkür oder Zufall!) aufge- 
bürdet haben, aber folgsam den heiligen Geboten, denen er, 
als vernünftiger Geist und als Glied einer übersinnlichen 
Wesenskette, unterworfen ist. Ein treuer Untertan der Ver- 
nunft ruht er im Schoss eines ewigen Friedens. Frei durch 
Vernunft ist er den Banden des Staates und der Vormund- 
schaft menschlicher Gesetze entwachsen und wird geleitet 
durch die Gerechtigkeit, die dem entarteten Geschlechte ent- 
floh und nun vom Himmel zur Erde herabgestiegen ist. — Nebst 
diesem Ideale einer mit sich selbst einstimmigen. Menschheit 
schafft sich nun der Geist noch ein anderes, das er in die 
Vergangenheit stellt, das seinen moralischen Sinn ergötzt, ohne 
die Sinnlichkeit zu beleidigen ..., das die Menschheit in einem 
liebenswürdigen Bilde darstellt, ohne uns aufzufordern, ihr das 
Ebenbild Gottes wieder erringen zu helfen. Aber welchen Punkt 
der Vergangenheit kann ein solch idealer Zustand ausfüllen ? 
Die Geschichte keineswegs. Denn soweit sie reicht, finden wir 
Staaten, in diesen kämpfende Leidenschaften und daneben 
Laster. Und in welcher Gestalt wäre dieser Zustand zu denken? 
In der eines wohlgeordneten Staates? Nein; denn der Staat 
setzt schon das Bedürfnis des Staates, also Sittenlosigkeit, vor- 
aus. Und stets scheinen die wohltätigen Bande der bürger- 
lichen‘ Gesellschaft lastende Fesseln zu sein, vor denen wir uns 
und alle Menschen gerne befreien würden, wenn nicht die be- 
dächtige Vernunft unsere unbedächtigen Wünsche durch die 
Ueberzeugung niederzuschlagen wüsste, dass Freiheit für die 
1) Meissners Monatschr, „Apollo“: „Ueber den Stand der Natur.“ Prag 
1795/96, 
Feuerbach bemerkt über den Begriff „Freiheit“: „unter diesem viel 
bedeutenden Wörtchen verstehe ich hier nichts weiter, als die Unabhängigkeit 
des Menschen von Zwangsgesetzen.“ -(„Apollo“ über den Stand der Natur“)
	        
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