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er hat zum erstenmal Hans Sachs im Zusammenhang mit der Ent-
wicklung der deutschen Literatur erfaßt und dadurch ein Bild Hans
Sachsens gezeichnet, das über die Versuche aller Vorgänger hinaus-
ragt, in seiner feinen Linienführung auch Wielands geschickte
Charakterisierung übertrifft. Das ist aber auch das einzige, worin
die Romantiker einen Fortschritt in der Hans-Sachs-Frage angebahnt
haben, das poetische Nachempfindungsvermögen, mit dem Goethe
30 kräftig für Hans Sachs einzusetzen vermochte, ist ihnen in
geringerem Maße als Goethe eigen. So bedeutet also in diesem
Punkte die Tätigkeit der Romantiker nur Sicherung des einmal
zewonnenen Bodens, Tieck und A, W. Schlegel haben dabei
Goethes mächtigen Einfluß empfunden und in gleich verherrlichender
Weise Goethes Vorgang gekennzeichnet. Hans Sachsens Namen
hatten, so erklärt A. W. Schlegel in den 1803—1804 zu Berlin ge-
haltenen „Vorlesungen über schöne Literatur“,1! „weit schlechtere
Poeten des 17ten Jahrhunderts“ mißbraucht. „Goethe hat sein An-
lenken zuerst wieder geweckt, und ihm in seinem eignen Sinn
3ain Ehrengedächtniß gestellt, welches ihn so treu porträtirt, daß
man sich eigentlich bloß darauf beziehen kann. Goethe hat auch
lurch seinen Vorgang der Hans-Sachsischen Weise für immer eine
Stelle in unserer Poesie gesichert: man kann sich ihrer mit großem
Vortheil, besonders für das burlesk-allegorische Drama, oder auch
für einzelne Partieen in ernsteren Dramen bedienen“. Ganz ähnlich
faßt auch Tieck Goethes Verhältnis zu Hans Sachs auf: „Goethes
‘reier Sinn fühlte sich zuerst von diesem verschmähten Altvater
ıngezogen, und in einem schönen Gedicht sprach er jugendlich be-
zeistert das Lob des Nürnberger Bürgers aus. Sein Faust, der schon
(rüher begonnen war, wurde in einer Sprache geschrieben, die der
veredelte, tiefsinnigere Widerhall jenes alten vergessenen deutschen
Tones war“? Daran schließt sieh in den überschwänglichsten
1 A. W, Schlegels Vorlesungen über schöne Litteratur und Kunst.
‘Hg. v. J. Minor). Dritter Teil (1803—1804). Heilbronn, 1884 (Deutsche Litte-
raturdenkmale des 18. und 19. Jahrhunderts, hg. v. B. Seuffert, 19) S. 5927 —60;.
2 Ludwig Tieck’s Schriften, 11. Bd., Berlin, 1829, S. LXH—LXIHI
des Vorberichtes. Bereits in einer Rezension des Faust-Fragmentes in den
Göttingischen Anzeigen von gel. Sachen, 1790, 154. St., S. 1549 wird darauf
hingewiesen, daß im „Faust“ auch ‚Hans Sachsens Versart“ verwendet
warden sel.