Objekt: Kaspar Hauser

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hörte und auf jeden Fall aus Hausers Dasein ein Wunder 
machen wollte. Sollten diese Entdeckungen übrigens viel 
unglaublicher gewesen sein, als die vom Kinderraube am 
badischen Hofe? Stanhopes Spekulieren auf Verletzung des 
Beichtgeheimnisses, um dadurch Aufschluß zu erhalten, zeugt 
nur von seiner brennenden Wißbegier in der Hauserfrage. 
Wenn Herr v. Artin es sehr verdächtig findet, daß Stanhope, 
der Wohlthäter Kaspars, nach dessen Tode plötzlich Broschüren 
gegen seinen Schützling in die Welt schleuderte, so vergißt 
er, daß das Verhältnis zwischen beiden schon seit längerer 
Zeit ein kühles gewesen war. Stanhope hatte sich bereits 
tyrannisch und mißtrauisch gegen Kaspar gezeigt, höchst wahr— 
scheinlich, weil auch er immer mehr einsah, dieser simuliere. 
Nach dem Tode des Unglücklichen machte er aus seiner An— 
schauung kein Hehl, sondern sprach sie offen vor aller Welt 
aus. Sein Verweilen in der Nähe von Ansbach zur Zeit 
des Mordanschlages von 1833 mag immerhin als Verdacht— 
mittel gegen ihn gelten. Wenn er aber wirklich Kaspar 
nach dem Leben trachtete, warum wählte er einen so schwierigen 
und gefährlichen Weg? Warum brachte er seinem Schützling 
nicht bei einem Besuche in Nürnberg oder Ansbach vergiftete 
Näschereien bei? Warum nahm er ihn nicht wirklich, wie 
er wiederholt versprochen hatte, auf einer Reise ins Ausland 
mit, stürzte ihn in einen See oder Abgrund und gab ihn 
nachher für verunglückt aus? Alles hätte sich dann viel 
geräuschloser gemacht und weniger Gefahr für den Mörder 
mit sich gebracht. Die weitere Mitteilung, Lord Stanhope 
habe Gelder besorgt, um Garnier zu bestechen, beruht auf einer 
sehr unsicheren Ouelle, nämlich Garnier selbst, und die Rolle 
Stanhopes in dem angeblichen Memoire Hennenhofers zerfällt 
mit der Unechtheit dieser Dokumente. Die ganze Annahme, 
der Graf sei Mitschuldiger an einem Verbrechen gegen Hauser 
gewesen, ist, wenn auch ein Verbrechen vorlag, nicht erwiesen.
	        
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