Volltext: Der Ruhm der göttlichen Barmherzigkeit wurde in einer Gastpredigt am S. Johannis-Tage in der Egydierkirche allhie einer zahlreichen Versammlung vorstellig gemacht und auf vieler Verlangen dem Druck überlassen

der Suͤnden. Wo aber Vergebung der Suͤnden ist, da ist auch das 
geistliche und goͤttliche Leben vorhanden, und wo das geistliche und goͤtt⸗ 
siche Leben ist, da ist auch die ewige Seeligkeit. Diese Einsicht und Er⸗ 
kaͤnntnuß hatten schon die Glaubigen im alten Testament. Sie sagten 
daher: Wer der Barmherzigkeit und der Guͤte nachjaget, der erlanget 
Barmherzigkeit Ehre und Leben, so wohl hier in der Zeit, als auch dor⸗ 
ten in der Ewigkeit. Die Barmherzigkeit GOttes aͤussert sich auch an 
dem begnadigten Suͤnder, in dem Fortgang seines Lebens. In dem 235. 
Psalm,heisset es · Daß David, auch nach seiner Begnadigung seiae Haͤn⸗ 
de zu GOtt aufgehoben, und Ihn um seine Barmherzigkeit quf das Kuͤnf⸗ 
tige angeflehet habe. Alle, die in der Armuth des Geistes verbleiben, an 
denen wird auch erfuͤllet, was unser Heyland, Matth.5. gepredigt hat: See⸗ 
lig sind, die da geistlich arm sind, denn das Simmelreich ist ihr. David 
saget: Gedenke nicht der Suͤnden meiner Jugend, und meiner Ubertrettung, 
gedenke aber mein nach deiner großen Barmherzigkeit um deiner Guͤte willen. 
So erweiset sich auch die goͤttliche Barmherzigkeit bey denen begnadigten 
Seelen unter allerley Anfechtungen, aͤusserlichen Leiden und Truͤbsalen 
Wenn in dem Propheten Isaia am 49. das betruͤbte und traurige Zion 
klaget: der HErr habe ihrer vergessen, der HErr habe sie verlassen. 
Und wann es auch noch immer solche klagende Bruͤder und Schwestern 
Zions in der Welt giebt, die da meynen GOtt nehme sich ihrer Noth 
nicht an, die gedenken: GOtt habe sie verlassen; Die gedenken: der Sa⸗ 
tan habe nun eine gar große Gewalt in der Welt; er breite sein Reich 
smmer weiter aus und das Reich JEsu Christi nehme immer mehr ab; 
darzu kommet noch ihr selbst eigener betruͤbter Zustand, daß sie nicht mit 
einer wahren Freudigkeit an GOtt gedenken koͤnnen, da ruffen sie als— 
dann aus: der HErr hat mich verlassen, der HErr hat mein vergessen. 
Darzu kommen auch wohl noͤch oͤfters aͤusserliche Truͤbsalen und Leiden, 
als Kriegsgefahr, aͤusserliche Unruhen, Erdbeben und was dergleichen be— 
truͤbte Dinge mehr sind, daruͤber manches fromme GHtteskind sehr be⸗ 
truͤht ist, und mehnet; der HErr habe sein kleines Haͤuflein Zion ganz 
verlassen. Aber GOtt der ewige Erbarmer antwortet ihnen diso: kan 
auch ein Weib ihres Kindes vergessen, daß sie sich nicht erbarme uͤber 
den Sohn ihres Leibes? Niemalen geschiehet dieses wohl. Konnte doch 
jene Mutter, die vor dem Koͤnig Salomo kam, und die die rechte 
Mutter ihres Kindes war, von welchem ein anders Weib sagte: es 
seye ihr Kind, nicht zugeben, daß, da Salomon das Urtheil faͤllte: 
daß man das Kind zertheilen, und einer jeden davon die Haͤffte — 
ollte, 
24
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.