Volltext: Zu Nürnberg

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„Wirst sein Augapfel sein!“ sagten die Gevatterinnen. 
Puh! wie schrecklich: der Augapfel von solch unruhig 
flackernden Augen, die so gespenstisch aus dem hageren Gesichte 
hervorleuchteten, sie so lüstern anblitzten! Wieder sieht sie ein 
anderes Augenpaar daneben, so ruhig, so klar, so warm und 
innig blickend! Doch fort mit dem Bilde! 's ist der Neffe der 
Stiefmutter, den braucht sie nicht! Fällt ihr nicht ein, sich von 
ihr einen Mann aufdrängen zu lassen! — So kämpft das trotzige 
Mädchen bereits ein Jahr; sie weiß daß der Sepp ihr von 
Herzen gut ist, aber sie weiß auch, daß sie ihn „nicht mag,“ nein 
ganz bestimmt nicht! Und wenn sie ihn möcht, sie nähm ihn doch 
nicht, blos um der Stiefmutter zu zeigen, wie fest sie sein kann, 
um ihr den Wunsch nicht zu erfüllen. 
Die Thorwärterin kennt die Liebe des biederen Sepp zu 
ihrer schönen Stieftochter, sie ahnt auch die Vorgänge in deren 
Hherzen. Sie wünscht die Verbindung der beiden, denn sie glaubt 
fest, daß daraus Glück und Heil für das Mädchen erwachsen 
werden, sie weiß, daß wenn die echte Liebe sieghaften Einzug 
hält in dem verschlossenen Herzen, das Eis schmelzen wird, das 
während so vieler Jahre das Aufgehen jeder schönen Blüte in 
demselben verhindert hat. Geduldig harrt sie der Stunde, in der 
ihr Lieblingswunsch sich erfüllen wird. 
„Sei nicht ungestüm,“ mahnt sie den Neffen, wenn er die 
Hoffnung auf Erreichung seines Sieles aufgeben will, „jede 
Blume verlangt ihre eigene Behandlung, das mußt Du als 
Härtner am besten wissen! Laß der Resi Seit, daß ihr besseres 
Selbst die Oberhand gewinnt, sie ist nicht ein Mädchen wie die 
andern! Hab Geduld mit ihr, Ihr werdet doch noch glücklich 
zusammen!“ 
g⸗· 
Und immer schöner, immer schöner wird Resi. Sie gleicht 
einer erblühten Rose, prangend im Maienglanze ihrer 17 Jahre. 
Doch schärfer und schärfer werden auch die Dornen, die ihre
	        
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