Volltext: Albert Dürer

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Stammverwandten, neben ihm nennen, dessen unzählige Radirungen ebenso 
die poetische Fülle seiner bildnerischen Gedanken, neben verhältnißmäßig 
wenig historischen Bildern, zu staunenswerther Anschauung bringen. Aber 
das empfanden auch seine Zeitgenossen unter den Künstlern lebhaft genug 
und gerade die Italiener haben ihn weidlich bestohlen, wie Vasari selber 
bezeugt. Seine Holzschnitte und zahlreichen Kupferstiche, wie sind sie aus— 
gebeutet worden! Aber auch in der Technik dieser letzteren steht er wunder— 
barer Weise noch heute unübertroffen da, und seine rivalisirenden Zeit— 
genossen: Lucas von Leyden, Cranach, Behaim und der wälsche Marc 
Anton, der ihn geradezu copirte, sie Alle und nicht minder die Späteren, 
haben ihn nie erreicht! 
In die Jahre von 1607 bis 1514 fallen die unsterblichsten Schöpf— 
ungen seines Stichels. Das wunderbare Blatt: Ritter, Tod und 
Teufel, eine so tiefsinnige Schöpfung, daß noch heute der deutende Geiss 
des Beschauers sich immer wieder daran versucht. Es mag wohl be— 
trachtet werden als eine eigenthümliche Fortbildung der uralten Todten— 
tanzideen, die den ernsten germanischen Geist von jeher beschäftigten, und 
der gewappnet durch das Thal des Erdenlebens ziehende Ritter, begleitet 
von Sünde und Tod, ist am Ende nur das Bild des streitenden Menschen— 
geistes, der nur im Kampfe durchdringt zum Ziele des Lebens. Das 
Jahr 1514 war das Todesjahr seiner alten Mutter, die er nach des 
Vaters Tode getreulich zu sich in's Haus genommen und mit kindlicher 
Liebe gepflegt hatte bis an ihr seliges, christliches Ende. In den schweren 
Stunden des Todeskampfes hatte er ihr zur Stärkung und Tröstung mit 
trauernder Seele vorgebetet, wie er selber erzählt. Sicherlich unter dem 
erschütternden Eindrucke dieser ernsten Stunden ist ein Werk entstanden, 
an tiefinnerster Bedeutsamkeit vielleicht das größte, was Dürer geschaffen. 
Es ist die sogenannte Melancholie, ein Blatt, bei dessen Betrachtung 
der Geist fortgerissen wird in die dunkeln Gebiete grübelnder Ahnung, 
in das Reich der ungelösten Räthsel des Daseins. 
In der dunkeln Zelle mit der geisterschwülen Atmosphäre von Faust's 
engem Studirzimmer sitzt, am Boden kauernd, das wunderbare Weib 
mit den durchbohrenden Augen, die dämonisch unter den schweren Brauen 
hervorblitzen, mächtig, wie eine Göttin der ewigen Nacht. Das ist Dürer's 
eigener Dämon, der Geist des Forschens und Durchdringens! So saß 
sie ihm selber zur Seite in dem engen Stüblein seiner Nürnberger Clause
	        
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