Full text: Albert Dürer

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Crucifix in die riesigsten Dimensionen übersetzen, ohne die innerliche Er⸗ 
habenheit zu erreichen oder gar zu überbieten, welche es in der Phantasie 
zu einer unendlichen Größe erhebt. Neben dem gewaltigen geistigen Inhalt 
auf so kleinem Raume sind noch alle anderen Eigenschaften der größten 
Kunstwerke: reinste, empfundenste Zeichnung in unübertrefflichen Umrissen, 
kräftige Modellirung und Färbung mit miniaturartiger Ausführung, zu 
vollendeter Wirkung vereint in diesem Juwel der Malerei. Auf dem tief⸗ 
dunkeln Nachthimmel schwebt die leuchtende Gestalt des Erlösers am Kreuze 
mit den ausgebreiteten Armen, bereit, die sündige Welt in ewiger Liebe 
zu umfangen! Das edle, dorngekrönte Haupt emporgehoben, als ob der 
Blick der brechenden Augen das All und die Seele des Beschauers mit 
emporzöge nach oben in die ewige Herrlichkeit des Vaters! Ja, dies Crucifix 
wurzelt nicht mehr auf der Erde; wie der Stamm unten im Bildrahmen 
verschwindet, so ruht es nur noch in der Seele, abgelöst von aller Wirk— 
lichkeit, als höchstes Symbol des Christusglaubens! 
Den Himmel und die Erde decket Nacht, 
Da hört die Geisterwelt ein neues „Werde!“ 
Der Hirte läßt sein Leben für die Heerde, 
Und durch das Weltall hallt: „Es ist vollbracht!“ 
Sein brechend Auge schaut die ew'ge Macht, 
Ein Siegesstrahl verklärt die Schmerzgeberde, 
Und überwunden Sünd' und Todgefährde, 
Entschwebt der Geist zu sel'ger Himmelspracht. 
Hinauf! Hinauf! Wie Cherubimesschwingen 
Hebt ihn das weiße, wallende Gewand 
Hoch über blaue Berge, Meer und Land. 
Und wie die Engel Halleluja singen, 
Sein letztes Wort den ew'gen Vater preist: 
„In Deine Hand befehl ich meinen Geist!“ 
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