Full text: Albert Dürer

13 
Knotenverschlingungen, eine Welt von so eigensinnig rhytmischer Orna— 
mentik, wie des alten Johann Sebastian Bach's Fugen, mit ihrer wunder— 
bar durchbrochenen Arbeit in kunstvollster Symmetrie, bilden eine wunder— 
bare Reihe der verschiedenartigsten Erzeugnisse seiner unerschöpflichen 
Phantasie. Wollte ich nur einen Katalog geben von allen den zahllosen 
Arbeiten seines Pinsels, Stiftes und Stichels, ich würde den Raum nicht 
finden in dem engbegrenzten Rahmen meines Vortrags, und immer wieder 
muß ich mich beschränkend zusammenfassen zur Anführung nur der be— 
deutendsten, nur derjenigen Werke, die für das Verständniß des großen 
Geistes uns die sicherste Anleitung geben. 
So lassen Sie uns hier an der Schwelle der weiteren Entwickelung 
unseres Meisters, zum Schlusse der ersten Periode seiner Nürnberger 
Kunstthätigkeit, nur noch ein Bild betrachten, welches sicher zu seinen 
größten Schöpfungen gehört, vielleicht gerade auf diesem Gebiete reli— 
giöser Darstellungen seine größte genannt zu werden verdient. 
Es ist das kleine, kaum spannengroße Bild des Gekreuzigten, was 
unsere Galerie zu ihren höchsten Schätzen zählt. Dasselbe trägt die Jahres— 
zahl 1500, eine Bezeichnung, welche, obwohl von Einigen anders gelesen, 
sich doch durch das Bild selber am sichersten rechtfertigt. Der Meister 
stand eben auf der Höhe seines Lebens; die wundervollste Ausführung, 
die alles Derartige in den Arbeiten van Eyck's, Holbein's oder Leonardo's 
weit überbietet, bedingt noch jugendlich frische Organe, scharfe Augen, 
festeste Hand; die großartige Auffassung des erhabenen Gegenstandes da— 
gegen, ebenso die höchste künstlerische Reife. Gerade an diesem erhabensten 
christlichen Gegenstande kam unserem Dürer auf's Höchste zu Statten, daß 
er die Antike noch nicht kannte. Es ist eine so rein menschliche Größe, 
eine so individuell natürliche Fassung der leiblichen Form in diesem 
wunderbaren Werke, die heilige Knechtsgestalt des menschgewordenen 
Gottes nur von der Schönheit des heiligen Geistes angehaucht, ein von 
jedem erkältenden Hauche angelernter Classicität und antikisirender Ge— 
dankenblässe so freier Standpunkt, wie ihn weder Raphael noch Michel— 
angelo mehr haben konnten; wie denn auch in der That keiner von Bei⸗ 
den, ja überhaupt kein Anderer jemals einen Christus am Kreuz geschaffen 
hat, der tiefer empfunden, herrlicher durchgeführt wäre. Allerdings kommt 
die kleine Dimension des Werkes dem speciellen Vermögen Dürer's, der 
an kleine Maße gewöhnt war, doppelt zu Statten. Aber man könnte dies
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.