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Knotenverschlingungen, eine Welt von so eigensinnig rhytmischer Orna—
mentik, wie des alten Johann Sebastian Bach's Fugen, mit ihrer wunder—
bar durchbrochenen Arbeit in kunstvollster Symmetrie, bilden eine wunder—
bare Reihe der verschiedenartigsten Erzeugnisse seiner unerschöpflichen
Phantasie. Wollte ich nur einen Katalog geben von allen den zahllosen
Arbeiten seines Pinsels, Stiftes und Stichels, ich würde den Raum nicht
finden in dem engbegrenzten Rahmen meines Vortrags, und immer wieder
muß ich mich beschränkend zusammenfassen zur Anführung nur der be—
deutendsten, nur derjenigen Werke, die für das Verständniß des großen
Geistes uns die sicherste Anleitung geben.
So lassen Sie uns hier an der Schwelle der weiteren Entwickelung
unseres Meisters, zum Schlusse der ersten Periode seiner Nürnberger
Kunstthätigkeit, nur noch ein Bild betrachten, welches sicher zu seinen
größten Schöpfungen gehört, vielleicht gerade auf diesem Gebiete reli—
giöser Darstellungen seine größte genannt zu werden verdient.
Es ist das kleine, kaum spannengroße Bild des Gekreuzigten, was
unsere Galerie zu ihren höchsten Schätzen zählt. Dasselbe trägt die Jahres—
zahl 1500, eine Bezeichnung, welche, obwohl von Einigen anders gelesen,
sich doch durch das Bild selber am sichersten rechtfertigt. Der Meister
stand eben auf der Höhe seines Lebens; die wundervollste Ausführung,
die alles Derartige in den Arbeiten van Eyck's, Holbein's oder Leonardo's
weit überbietet, bedingt noch jugendlich frische Organe, scharfe Augen,
festeste Hand; die großartige Auffassung des erhabenen Gegenstandes da—
gegen, ebenso die höchste künstlerische Reife. Gerade an diesem erhabensten
christlichen Gegenstande kam unserem Dürer auf's Höchste zu Statten, daß
er die Antike noch nicht kannte. Es ist eine so rein menschliche Größe,
eine so individuell natürliche Fassung der leiblichen Form in diesem
wunderbaren Werke, die heilige Knechtsgestalt des menschgewordenen
Gottes nur von der Schönheit des heiligen Geistes angehaucht, ein von
jedem erkältenden Hauche angelernter Classicität und antikisirender Ge—
dankenblässe so freier Standpunkt, wie ihn weder Raphael noch Michel—
angelo mehr haben konnten; wie denn auch in der That keiner von Bei⸗
den, ja überhaupt kein Anderer jemals einen Christus am Kreuz geschaffen
hat, der tiefer empfunden, herrlicher durchgeführt wäre. Allerdings kommt
die kleine Dimension des Werkes dem speciellen Vermögen Dürer's, der
an kleine Maße gewöhnt war, doppelt zu Statten. Aber man könnte dies