Inhaltsverzeichnis: Johann Tobias Kiessling und einige seiner Freunde nach ihrem Leben und Wirken

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ALS unfer feliger Tobias zuerft die ihm mit jedem Sahr lieber 
gewordenen Segenden von Oberösterreich, Kärnthen und Steyer= 
mark befuchte, ging e& Dort mit unferen evangelifchen Glaubens= 
genoffen noch etwas ernft her. Bekanntlich hatte, etwa 200 Jahre 
vorher, der Proteftantismus (wir wollen nicht gerade undedingt 
fagen, das reine, ernffe Chriftenthum) in jenen Ländern über 400 
Prediger in den Städten und Feen and Dörfern gehabt, als 
auf einmal diefe freie, großentheil$ Lautere und reine Verfündis 
gung des Evangeliums von Sefu Chrifto, durch menfhliches Miß- 
verftehen gehemmt und unterdrückt wurde. Aber gerade unter 
diefem Druck erzeugte fich der rechte chrifflihe Ernit. 
Sa, mir ift e8 fehr rührend (und ich möchte, wenn mir 
Gott Kraft zur Ausdauer geben wollte, damals einer von fol= 
hen Sebirgsbewohnern gewefen fein), wenn ich von den 
erften Sahren, in denen unfer feliger Kießling feine Befuche in 
Defterreich machte, lefe, wie die armen einfamen Sebirgsbewoh= 
ner, bei denen fich der Slaube der Väter noch immer nicht hatte 
ausrotten und unterdrücken laffen, fo verfolgt wurden. Wenn 
man eine deutfche Bibel oder ein anderes Buch der Jutherifchen 
Confeffion bei ihnen fand, wurden fie als große Verbrecher anges 
eben und mit Kerker und Landesverweifung beftraft, Da that 
28 nun freilich unferm feligen Tobias innig weh, wenn er wäh: 
rend feiner Unwefenheit, 3. B. in Linz, folche Staubensbrübder 
vorbeiführen fah, welche Sfters nicht weit von feiner Wohnung 
zufammen in einen gemeinfchaftlichen Kerker gefperrt wurden, 
aus welchem die BVorlibergehenden und Naheftehenden, nicht Wehz 
Flagen und VBerwünfchungen Über die Verfolger, fondern lautes 
Gebet und Hriftlihe Sefänge erfhallen hörten, bis man, oft 
fehon nach wenig Tagen, fie alle zu Schiffe brachte und in die 
unterften Gegenden von Ungarn und Siebenbürgen verfendete, 
wo dann freilich die Mehrzahl dem ungewohnten Klima erlag. 
Da {land unfer lieber Tobias Sfter an dem Ufer der Donau, 
und fah zu, wie die meiften treuen Seelen mit heiterm Sinne 
und mit fchweigender Geduld von Verwandten und Bekannten 
Mbfchied nahmen. Und doch gab es auch zuweilen Thränen, ja
	        
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