des Gedächtnisses, insbesondere, was die genaueren
Daten anbelangt; ich verzichtete darauf. Diese Blätter
sollen niedergeschrieben werden, nur so weit meine
Erinnerung festhält, mag dann auch im Zauberglanz
der Jugend die Grenze zwischen Wahrheit und Dich—
tung da und dort verschwimmen.
Wenn nun am Enhlvesterabend die Neujahrs—
predigt fertig war, las er meiner Mutter aus seinem
Kalender vor; ich hörte auch dinmal zu, und das
einzige, was mir daraus geblieben ist, war die
immer wiederkehrende Notiz: „Erbrechen“ — „Er—
brechen“ — „Erbrechen“, welche er, nachdem das Jahr
doch glücklich hinter ihm lag, nicht ohne einen gewissen
Humor zum besten gab. Nie aber hat er damals
die Wende des Jahres abgewartet, er brauchte seine
Kraft für den folgenden Tag, und der ging für seinen
Fleiß und seine Gewissenhaftigkeit schon sehr früh—
zeitig an. Denn er trug seine Predigt von Montag
an mit sich herum, bis sie gehalten war.
Einmal aber wäre er doch gerne aufgeblieben;
ich war es, der ihn darum brachte und mir und ihm
und besonders dem Herrn Kantor mit seinem Lieb—
lingskind, dem Gesangverein, dadurch Aerger be—
reitete. Der Herr Kantor hatte nämlich so verloren
zu mir gesagt, daß mein Vater „in der Neujahrs—
nacht“ mit einem Ständchen überrascht werden solle.
Am Neujahrstag drückte mich nun doch das Ge—
heimnis zu sehr und ich vertraute es dem guten
Vater an, daß er am Abend ein Ständchen zu er—
warten habe; aber er wartete vergebens. Erst die
Frage des Herrn Kantor am folgenden Tag, ob
denn der Herr Papa den Gesang gehört habe, und
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