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empfand auch ihre teilnehmenden Blicke, aber was
konnte sie ihm helfen und raten; fie, eine Frau!
Aber Madame Rottmann suchte ihm doch zu
helfen, dem blassen Vikar mit der tiefgefalteten Stirn.
Es war nach Besichtigung eines alten Stadels,
der zur Suppenanstalt eingerichtet werden sollte;
Rottmann ging mit Frau Josephine lebhaft redend
nach Haus.
Frau Josephines Gedanken folgten nicht ganz
den Auseinandersetzungen des Gatten, je näher sie
dem eigenen Haus kam, desto lebhafter suchten ihre
Gedanken ihre Kinder auf, die nun wieder hatien
schlafen gehen müssen, ohne mit der Mutter gebetet
zu haben. Und an die Kinder denkend, fiel ihr der
Vikar ein. Er hatte am Morgen gar so finster
geblickt und so müde den Kopf auf die Hand gestützt.
„Sebastian, weißt Du, wer mir gar mucht ge—
fällt? — Der Vikar!“
„Der Vikar? Richtig, seitdem wir hier in der
Stadt sind, hab' ich ihn nicht gesprochen. Warum
gefällt er Dir nicht?“
„So ein junger Mensch und so kopfhängerisch
— ich begreife ihn nicht, aber er tut mir doch leid.
Sebastian, ich glaube es täte ihm gut, Du gönntest
ihm ein Wort.“
Sebastian schüttelte den Kopf. „Was sollen
ihm meine Worte nützen? Warum kommt er jetzt
nicht, um zu helfen? Hünnebach hat recht — er ist
ein Schwächling.“
„Ja, Sebastian, ich glaube auch, daß er schwach
ist. Aber darum braucht er einen festen Halt, einen
Freund.“
Rottmann wehrte leicht mit der Hand ab.
„Aber Sebastian, früher, da sprachst Du doch
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