Volltext: Die neue Zeit

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Schicksal. Beim ersten Sehen wußte ich: der wird 
dein Herr. Und nichts konnte mich retten vor 
ihm. Keine Erkenntnis, keine Einsicht. Ich wurde 
jubelnd die Seine, ihm alles verzeihend, ich blieb 
jubelnd die Seine, trotz aller Wunden, die mir seine 
Untreue, sein Wankelmut schlug. Und als ein toller 
Ritt ihm das Leben kostete, da beweinte ich ihn 
jahrelang, bis aus meinem großen Schmerz eine 
wunderbare Blume sproßte, Anne, bis die sehnende 
Liebe nach ihm mich zur Dichterin gemacht hatte.“ 
Anne war aufgesprungen — sie sah Frau 
Anette stumm staunend an. „Das — das war Ihr 
Leben?“ rief sie endlich. 
„Ja.“ Die Frau strich sich über die Augen. 
„Ja, das war mein Leben, meine Bestimmung; wir 
find, was der Mann aus uns macht.“ 
Anne beugte den Kopf; die beiden Frauen 
standen sich stumm gegenüber, dann eilte Anne auf 
ihre Wirtin zu. „Ich habe Sie lieb!“ sprach sie 
schüchtern. 
Stürmisch riß Annette das Mädchen an sich. 
„Ich Sie auch, Kind. Kommen Sie, erzählen Sie 
mir, wie es kam, daß Sie in Ihrem Vater Ihre 
Bestimmung fanden.“ 
Und in der Dämmerstunde erzählte Anne von 
ihrer Enttäuschung, nicht in anklagenden Worten 
und verbittert, sondern wie man im späteren 
Leben von den Freuden und Leiden der Jugend 
spricht. 
„Also Liebesglück ward Ihnen versagt, Anne. 
Die Quelle des Schöpferischen wurde Ihnen ver— 
schüttet, ehe Sie kosten durften. Wie reich wird 
aber Ihr Leben dennoch werden, Sie stolzes, liebes 
Kind ines herrlichen Vaters. Glauben Sie mir,
	        
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