Volltext: Die neue Zeit

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Joseph, der hatte immer Wünsche auf dem 
Herzen. Es gab so viel zu helfen — das Früh— 
stück reichte nie zum Verteilen an seine Kameraden 
aus, an seinen Anzügen war so oft zu flicken, gab 
es doch so viel Schwache, für die er mit Faust und 
Kraft einstand. 
Und Anne? Sie hatte immer viel zu erzählen, 
sie fand so viel Komisches, so viel zu lachen über 
Dummheiten und Unwissenheit der Mitschülerinnen. 
Mit gespannten Mienen lauschte die Mutter 
den Kindern. Oft nickte sie zu den Erzählungen, 
selten nur wehrte sie — wie konnte sie allein wagen, 
der Kinder Sinn zu wenden — und wohin? Sie 
mußte immer an Schleiermachers Forderung denken. 
In dem kleinen Katechismus hatte gestanden: „Ehre 
die Eigentümlichkeit und die Willkür Deiner Kinder, 
auf daß es ihnen wohl gehe und sie kräftig leben 
auf Erden.“ — 
Gar manchmal sagte sie sich halblaut den Satz 
vor. Aber so ganz konnte sie nicht einstimmen — 
sie wünschte die Kinder zu leiten, abzuschwächen und 
zu glätten, was zu scharf und kantig schien, zu 
stärken, was ihr allzu weich, allzu hingebend vorkam. 
Ja — wenn sie mit Sebastian darüber hätte reden 
können! — 
Aber wie konnte sie ihm jetzt mit diesen Sorgen 
kommen? Waren es nicht vielleicht nur selbstge⸗ 
schaffene? — Und doppelt bemühte sie sich, den 
Kindern gerecht zu werden. — 
An den Nachmittagen saß Josephine bei den 
arbeitenden Kindern, im Dämmern rief sie die drei 
zu sich und erzählte ihnen Märchen nach einem Buch, 
das der Gatte ihr geschenkt hatte. Die köstlichsten 
Volksmärchen von zwei Brüdern gesammelt, die
	        
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