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Der Vikar hatte die Zähne auf die Lippen
gepreßt. „Dann — kann — ich also gehen.“
Rottmann sah auf, reichte ihm die Hand „Nun,
lieber Vikar, sehen Sie meine Gründe ein? Gern
hätte ich Sie weiter den Platz als Lehrer meiner
Kinder einnehmen sehen, aber der Erkenntnis, die
ich gewonnen, müssen meine persönlichen Wünsche
weichen.“
Der Vikar nickte, ein bitteres Lächeln zog um
seinen Mund. Dann sah er Rottmann an. Es
lag Hoffnungslosigkeit und ehrlicher Schmerz in dem
Blick.
Betroffen trat Rottmann näher. „Was ist
Ihnen?“
Da war endlich die Frage, nach der er ge—
dürstet hatte; — aber jetzt hier — vor der Frau —
er schüttelte den Kopf. Aber niederwerfen hätte er
sich mögen vor dem Mann mit den leuchtenden
Augen und der klaren Stirn, niederwerfen mögen
und ihn umschlingen und bitten: Hab doch noch
weiter Geduld, nimm mir nicht deine Teilnahme,
deine Hilfe, ich finde nirgends, nirgends den Halt,
den Glauben. An dich aber glaube ich. Lehr mich,
wie du nur an das Große denken, an die Mensch—
heit, an Gott glauben. Du kannst nicht anders,
bist glücklich darin, ich will es lernen — ich will
glücklich werden.
Aber kein Wort drang über seine Lippen, und
Rottmann forschte vergeblich in den starren Zügen.
Ein wenig ungeduldig schüttelte er den Kopf.
„Lieber Vikar, Sie müssen von Ihrer Stelle in
Sankt Johannis fort, Sie müssen in andere Ver—
hältnisse. Ich kann Ihnen ein Angebot machen,