Full text: Anselm von Feuerbach, der Jurist, als Philosoph

Dieser Brief ist geschrieben am 2. März 1794, also ın 
Feuerbachs drittem Studienjahre. 
Ueber die Wirkungen, welche die verschiedenen philo- 
sophischen Studien Feuerbachs, der damals die Werke Humes, 
Lockes, Burkes, Rousseaus kennen lernte, auf ihn 
übten, gibt uns sein Tagebuch Aufschluss. So schreibt er da 
am 16. April 1795: „Ich will immer besser werden, ich will 
mich des hohen Namens Mensch würdig machen, und, um 
dies ausführen zu können, muss das: „Erkenne dich selbst“ 
der Führer auf meinem Weg zur Tugend sein.‘ Interessant 
ist hier seine Selbstkritik, die wohl einer Stimmung entsprungen 
sein mag, wie sie Rousseau bei Niederlegung seiner „Be- 
kenntnisse‘ erfüllte.1) 
„Von Natur habe ich einen grossen Hang zu allen Arten 
des Lasters; ich besitze nichts von dem, was man ein gutes 
Herz nennt. Ich würde weder gütig noch gerecht sein, ich 
würde Abscheulichkeiten und Niederträchtigkeiten begehen, 
wenn ich meinem überwiegenden Hang zum Bösen den Zügel 
liesse; aber mein Wille und meine Vernunft zügelt die Leiden: 
schaften; und seitdem ich die Sinnlichkeit durch mein besseres 
Selbst bekämpfte, herrscht Ruhe und Friede in meinem Innern. 
Durch mein Gewissen geniesse ich eine Seligkeit, die mir kein 
äusseres Glück gewähren kann. Seitdem ich mich selbst achten 
gelernt habe, schwinden mir alle die kleinlichen Sorgen um 
Genuss und Erdenglück. Ich könnte die härtesten Schläge 
des Schicksals dulden, ohne zu murren — und dass ich es 
könnte, hat meine eigene Erfahrung mir schon bewiesen. Dies 
ist mein Gutes — nun mein Fehler. 
Ehrgeiz und Ruhmbegierde machen einen hervor- 
stechenden Zug in meinem Charakter aus. Von Welt und Nach- 
welt gepriesen zu werden, dünkt mir das höchste Erdenglück. 
Oft wünsche ich Gelegenheit zu haben, mein Leben im \Voll- 
bringen grosser Taten selbst unter qualvollen Martern hinzu- 
geben, um nur in den Jahrbüchern der Menschheit als grosser 
Mann zu glänzen. Ich höre nicht gern das Lob grosser Männer, 
ich meine, ich müsste vor Scham vergehen, wenn ich bedenke, 
dass ich schon 18 Jahre alt und noch der Welt unbekannt bin, 
da doch andere schon in den frühesten Jünglingsjahren die 
öffentliche Laufbahn betreten haben. — Ich trage ein Ideal 
4 Leben und Wirken, I, S. 12—15.
	        
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