Volltext: Stenographischer Bericht der 34ten Generalversammlung Deutscher Müller und Mühlen-Interessenten zu Nürnberg vom 17. bis 20. Juni 1906 (34. (1906))

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Zwecke. Dieser Mangel, das überaus ungünstige Verhältnis zwischen 
Verwaltungskosten und schöpferischer Betätigung, liegt nicht an den be— 
teiligten Personen, nicht an den Innungen und Handwerkskammern, son— 
dern an den gesetzlichen Bestimmungen. Aber Tatsache ist, daß hier, 
—D— 
Man darf auch nicht glauben, daß etwas gebessert würde, wenn die— 
jenigen Bestrebungen Förderung fänden, die eine immer größere Zahl 
von Mühlenbetrieben in die Organisation des Handwerks hineinbeziehen 
wollen. Den Innungen ist nun einmal, mögen sie groß oder klein sein, 
mögen sie noch so tüchtig geleitet sein, jede politische Tätigkeit (dieses Wort 
im weitesten Sinne verstanden) verboten, und dieses Verbot wird bestehen 
bleiben müssen, wenn Deutschland nicht wieder in die schädliche Gebundenheit 
eines mittelalterlichen Zunftzwanges zurückfallen soll. 
Damit soll aber keineswegs gesagt sein, daß man nun jede gewerb— 
liche Organisation verwerfen solle. Im Gegenteil, eine Organisation ist 
notwendig und zweckmäßig. Das sehen wir am besten an der Organi— 
sation der preußischen Landwirtschaft, die in Landwirtschaftskammern zu— 
sammengefaßt ist und dort eine nach allen Richtungen freiwirkende Ver— 
tretung ihrer Erwerbs- und wirtschaftlichen Interessen hat. Der Unter— 
schied ist aber der, daß man (wenigstens in Preußen) die gesamte Land— 
wirtschaft großer Bezirke zusammengefaßt hat; daß man nicht fragt, bist 
du ein Kleiner oder ein Großer; daß man vielmehr durch den Anschluß 
der Klein- und Mittelbetriebe an die Großbetriebe die festen Unterlagen 
hergestellt hat, auf der alle Teile gedeihliche Förderung finden. 
Wenn man dagegen in der Industrie, und insbesondere auch in der 
Müllerei, das Handwerk für sich organisieren will, so schafft man dadurch 
nur starre und schwere Bürde, man halst den Handwerkern eine schwere 
Rüstung auf, die sie am freien Ausschreiten hindert und ihren Blick auf 
Wege lenkt, die nun einmal mit dem Fortschreiten von Wirtschaftskultur 
und Technik unvereinbar sind. 
Nicht Errichtung von verschiedenen Organisationen innerhalb desselben 
Gewerbes, nicht Abgrenzung, sondern Vereinigung ist das Mittel, die Ver— 
hältnisse zu bessern. Nicht in dem Kampfe gegen die Fabrikanten, sondern 
im Verein mit ihnen werden die Handwerker fortschreiten. An dem Sieges— 
zuge der deutschen Industrie wird das Handwerk teilnehmen, wenn es sich der 
Großindustrie anschließt, nicht aber, wenn es sich von den reichen Quellen 
der Industrie selbst absperrt. So haben die Kleinbauern gehandelt, als 
sie mit den Großgrundbesitzern zusammen einen ihnen genehmen Zoll— 
zustand erlangten; so sehen wir es alle Tage bei den Arbeitern, die bei 
Wahrnehmung ihrer Interessen auch nicht danach fragen, ob der einzelne 
in einem handwerksmäßigen oder in einem Fabrikbetrieb arbeitet; sie 
handeln eben als Arbeiter, und so müßten die Müller eben nur Müller 
sein, aber nicht Handwerker oder Fabrikanten. 
Wenn man die heutigen Verhältnisse im Müllereigewerbe überschaut, 
so wird man bei unbefangener Prüfung zugeben müssen, daß es eigent— 
lich ein Unding ist, Mehlfabriken, Handelsmühlen und handwerksmäßige 
Mühlen zu unterscheiden. Alle drei Gruppen haben in der Hauptsache 
dieselben volkswirtschaftlichen Aufgaben zu erfüllen und bedienen sich
	        
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