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es hinein und giebt dem auf bestimmte Punkte zielenden Leser durch ausführliche
Citteraturnachweise die Richtung des weiteren Weges an. Die Darstellung ist kurz
gefaßt und klar. Leider entspricht die Zahl und überall auch nicht die Qualität
der Abbildungen der inhaltlichen Bedeutung des Buches und den billigen An—
forderungen der Gegenwart. Auch ist das entwickelungsgeschichtliche Moment nicht
genügend herausgearbeitet und der altchristlichen Periode nicht hinreichend Sorgfalt
geschenkt. Doch diese Einzelheiten bestimmen nicht den Wert des ausgezeichneten,
aus einem deutschen Pfarrhause hervorgegangenen Buches. Nur ganz bescheidenen
Ansprüchen genügt ein Einleitungsbuch des bekannten Kunsthistorikers Wilhelm
Lübkes); es ist zur ersten Einführung und allgemeinen Orientierung vielleicht
brauchbar. Eine in Aussicht stehende neue Bearbeitung macht hoffentlich etwas
Besseres daraus. Das Gesamtgebiet der christlichen Kunst umspannt die eingangs
erwähnte „Geschichte der christlichen Kunst“ von F. X. Kraus (Prof. der katho—
lischen Theologie in Freiburg i. B.), deren erster Band vorliegt“)), welcher, ganz
allgemein charakterisiert, die Vorgeschichte der mittelalterlichen Kunst enthält. Der
Verfasser ist als gelehrter Kenner und feinsinniger Beobachter der christlichen Runst⸗
denkmäler bekannt und versteht es, anschaulich und sicher in die geschichtliche
Situation und die durch sie gebotenen Probleme einzuführen. Diese Vorzüge des
Verfassers trägt auch diese Geschichte der christlichen Kunst, und niemand wird das
Buch aus der Hand legen ohne die Empfindung, ihm Anregung und positiven
Hewinn zu verdanken. Am ebesten lassen sich Einwendungen gegen die Anschau—⸗
ungen und Ausführungen über die altchristliche Kunst, besonders über deren
die Bildwerke, erheben. Bekanntlich scheiden sich hier immer noch scharf die
katholische und die protestantische Forschung.) Und so sei mir gestattet, hier
meine „Archäologie der altchristlichen Kunst“ 9) zu nennen, in welcher in aus—
führlichem Eingehen auf die gesamte Kunstthätigkeit der alten Kirche die andere
Auffassung zum Worte gekommen ist. Neben diesen Schriften der neueren Seit
sei aber auch der Werke zweier Männer gedacht, die schon vor Otte das Ver—
— erfolgreich angebahnt haben und die
nur unverständige UÜberhebung als überholt ansehen kann, ich meine Franz Kugler
und Karl Schnaase, die beide zu den ersten in den Reihen echt protestantischer
Runstforscher gehören und wie wenige der Geschichte und den Lebensäußerungen
der christlichen Kunst mit innerem Verständnis nahegetreten sind.!d)
6) W. Lübbke, Vorschule zum Studium der kirchlichen Kunst des deutschen Mittelalters.
6. Aufl. Leipzig, 1873 (2715. mit 226 Illustrationen). Antiquarischer Preis jetzt ca. 3 M.
Seit kurzem ist das Buch aus dem bisherigen Verlag an die A. Deichert'sche Verlagsbuchhand—
lung (Georg Böhme) in Leipzig übergegangen, die eine neue, aber wohl noch in der Ferne
liegende Ausgabe vorbereitet
) Er umfaßt die altchristliche, die byzantinische Kunst und die Anfänge der nordischen
Kunst (621 8. mit 484 Cextabbildungen). 16 Mark.
8) Wenn im genannten Werke gelegentlich der altchristlichen Symbolik, S. 74 A. gesagt
ist, daß ich meine frühere Auffassung hätte „sehr zurücktreten lassen“ und mich der römischen
„genähert“, so kann ich das in keiner Weise zugeben. Meine prinzipielle Beurteilung des
altchristlichen Bilderkreises ist seit 1880 dieselbe geblieben.
9) Viktor Schultze, Archäologie der altchristlichen Kunst, München, 1895 (382 8. mit
120 Abbildungen). 10 Mark.
10) Franz Kugler, Handbuch der Kunstgeschichte. 2 Bde., Berlin, 1847; 5. A. von
Lübke, Stuttg.,, 1872 (ich gebe immer noch der ersten Auflage den Vorzug); Karl Schnaase,
Geschichte der bildenden Künste, Düsseldorf, 1843 ff. 7 Bde. (bis Ende der Gotik); 2. A. von
Lützow, Lübke, Woltmann, Dobbert, Stuttg. 1865 ff. 8 Bde.