Volltext: Eine anonyme deutsche Gottesdienstordnung aus der Reformationszeit

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unternommene Versuch einer kurzen Anleitung zum Selbststudium auf diesem Ge— 
biete seine Rechtfertigung finden. Vorwiegend ist dabei das deutsche Mittelalter 
ins Auge gefaßt. 
Der um die Erforschung der kirchlichen Kunst des Mittelalters hochverdiente, 
im Jahre 1890 verstorbene Pastor Heinrich Otte hat in seinen hinterlassenen 
Lebenserinnerungen?) ein Kapitel „Wie ich ein Archäologe wurde“, in welchem er 
schildert, wie er, der Dorfpfarrer, der weder auf dem Gymnasium noch auf der 
Universität irgend welche Anregung für die bildende Kunst gefunden hatte, durch 
den Merseburger Dom auf den Weg geführt wurde, auf welchem er hernach eine 
so hervorragende Bedeutung gewinnen sollte. Schritt für Schritt ist er unter 
großen Schwierigkeiten — denn zeitlebens ist er in derselben Dorfpfarre verblieben 
— vorwärts gegangen, aber mit den zunehmenden Kenntnissen wuchs der Eifer 
des anfänglich ganz bibliotheklosen Mannes, bis er in dem unvergleichlichen, 
klassischen „Handbuche der kirchlichen Kunst des deutschen Mittelalters“ den Höhe— 
punkt seines unermüdlichen Schaffens erstieg. 
Die Vereinigung des Studiums der Denkmäler selbst mit der Unterweisung 
durch litterarische Hilfsmittel ist für unsere Frage eine selbstverständliche Forderung. 
Denn das Siel darf nicht nur das theoretische Wissen, zu welchem die kunst⸗ 
geschichtliche CLitteratur anleitet, sondern muß auch die Fähigkeit der Beurteilung 
eines Kunstdenkmals sein. Was die litterarische Frage anbetrifft, so sind wir 
Gegenwärtigen darin weitaus günstiger gestellt als die Generation vor uns. 
Unter der großen Zahl einschlägiger Werke, welche unsere Zeit in rascher Folge 
produziert, bietet sich Ausreichendes, ja Vortreffliches in ziemlich großer Auswahl. 
Die neueren Reproduktionsmittel haben außerdem ein bildliches Material ermöglicht, 
mit dessen Reichtum und Zuverlässigkeit nichts Früheres sich vergleichen läßt. An 
die Stelle der einfachen Beschreibung ist die Verbindung der Beschreibung mit der 
Illustration als das gewöhnliche Verfahren getreten. Aus der Fülle hebe ich das 
heraus, was dem praktischen Zwecke des Selbststudiums am meisten entspricht, ohne 
damit andere Hilfsmittel auszuschließen. Es ist zunächst wichtig, den einfachsten 
und sichersten Weg kennen zu lernen. 
An erster Stelle verdient das mit dem Jahre 1858 beginnende „Christliche 
Kunstblatt für Kirche, Schule und Haus“ genannt zu werden, welches heute noch 
der schönen Aufgabe, über die christliche Kunst der Vergangenheit und Gegenwart 
zu unterrichten und Fingerzeige über Bau und Einrichtung evangelischer Gottes⸗ 
häuser zu geben, erfolgreich dient. Es ist das einzige Organ dieser Art, über 
welches die evangelische Kirche verfügt, und verdient jede Empfehlung.) Wo die 
Aufgabe als eine rein wissenschaftliche, ohne direkte Abzweckung auf Anwendung, 
gefaßt wird, bleibt Ottes eben genanntes Handbuchs) das Hauptwerk, das sich 
nicht umgehen läßt. In alle Einzelheiten des großen, inhaltreichen Gebietes führt 
9) Aus meinem Leben. Mach dem Tode des Verfassers herausgegeben von seinen 
Söhnen.) Leipzig 1893. 
) Erscheint monatlich zum Preise von 4 Mark jährlich in Stuttgart bei J. F. Stein— 
kopf. Der jetzige Herausgeber ist Oberkonsistorialrat Dr. Joh. Merz. Jede Nummer enthält 
gute Abbildungen. 
9) 5. Otte, Handbuch der kirchlichen Kunstarchäologie des deutschen Mittelalters. 
5. A. hg. von Oberpfarrer Wernicke. Leipzig 1883. 1885 (mil Textabbildungen und mehreren 
Tafeln). 36 Mark.
	        
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