Volltext: Zu Nürnberg

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die Tändeleien als lustige Kurzweil hingenommen, sie hatte damit 
gespielt wie ein leichtsinniges Kind mit dem Feuerzeug. 
Doch kleine Ursache, große Wirkung. Mit dem Heiligsten 
des Frauenherzens, mit der Treue, soll man nicht spielen: Bald 
lohte der Brand tollkühner Leidenschaft in ihrem unerfahrenen 
Herzen auf, die züngelnde Flamme drohte ihr häusliches Glück, 
ihren Lebensfrieden zu verschlingen. Wäre ihr Kind, ihre Resi 
nicht gewesen, an der sie mit heißer Liebe hing, sie hätte sich 
wohl zu einer Thorheit hinreißen lassen, doch so hielt sie die 
Angst, sich von ihrem Kinde trennen zu müssen, von dem ver— 
hängnißvollen Schritte ab, der sie ausgestoßen hätte aus ihres 
Mannes ehrbarem Häuschen. Die Mutterliebe verlieh ihr die 
sittliche Kraft, sich selbst zu bewahren; aber sie hatte keine Freude 
mehr am Leben, rast- und ruhelos war ihr Dasein geworden. 
Herbst war's, das welke Laub fiel raschelnd von den 
Bäumen, die Erde mit knisterndem Teppich bedeckend. Heulend 
brauste der Nordwest um die alte Burg, mit wahrer Wut 
brach er sich an den eckigen Mauerwällen und schien nicht übel 
Lust zu haben, das kleine Thorwarthäuschen mit Mann und 
Maus in den Stadtgraben hinabzufegen. 
Sin zitterndes Weib stand an das Brückengeländer gelehnt, 
sie harrte der bekannten Schritte, die jeden Augenblick aus dem 
Thorbogen hervorkommen mußten. Ihre Sähne klapperten 
aufeinander, der Frost schüttelte ihre Glieder, die Augen glänzten 
im Fieber. Endlich kam er! 
„Schön, daß Ihr da seid,“ sprach sie. „Ich kann schier 
nicht mehr auf den Füßen stehen, mühsam hab' ich mich heraus— 
geschleppt, damit Ihr's doch wißt, daß die Thorwarts-Anna 
krank ist, sehr krank. Aber mir liegt nichts daran, 's ist mir 
so recht, ich mag nicht mehr leben, hab nichts zu verlieren an 
meinem bischen erbärmlichen Leben. 
Euch vermach' ich das Schönste und Liebste was ich hab. 
Weil ich halt nicht gekonnt hab', wie ich gemocht hätt,' soll 
meine Tochter an meine Stelle treten. Wenn die Resi groß ist,
	        
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