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öffneten, ging als eine der ersten Neuheiten Heinrich Martin's
Schauspiel „Irrlicht“ über die Bühne. Von einem verständigen
Regisseur sorgfältig in Scene gesetzt, von ersten Bühnenkräften
dargestellt, errang es einen vollen Erfolg.
Der glückliche Autor staunte, was aus seinem Werke ge—
worden war; wie unendlich viel namentlich an einer richtigen
Auffassung und Durchführung der Rollen lag. Erst jetzt erkannte
er, wie wenig Nelly eigentlich talentiert, wie seicht und ober—
flächlich ihr Spiel war. Vor dem Mädchen Nelly hatte er längst
die Achtung verloren — nun verlor er sie auch vor der Schau—
spielerin Nelly und der letzte Rest eines schmerzlichen Gedenkens,
das ihn noch zuweilen erfaßt hatte, verschwand.
Glückstrahlend kam Heinrich an diesem Abend mit seinem
Mütterchen, welches bebend vor Aufregung der Vorstellung bei—
gewohnt hatte, nach Hause. Frau Lisbeth berichtete dem Kranken
atemlos, wie es wunderschön gewesen wäre im Theater, wie
die Leute Beifall geklatscht hätten und wie dann Heinrich, ihr
Sohn, auf die Bühne gekommen sei und sich dankend verneigt
habe, wieder und wieder.
Und man hätte ihm zugejubelt, ihrem Einzigen und in der
Pause wären seine Freunde zu ihr, der schlichten alten Frau
gekommen und hätten sie beglückwünscht.
„Ach, nimmer hätt' ich doch geglaubt, daß ich noch solche
Freud' erleben dürft an meinem Einzigen,“ schloß sie endlich
schluchzend ihren Bericht. „Glaub' mir's Vater, unser Wunsch
ist in Erfüllung gegangen: Unser Bub' ist was Rechts geworden.“
Wie Sonnenschein war es über des Alten Züge gegangen;
er zog den Sohn an seine Brust und sagte tiefbewegt: „Nun
kann ich ruhig sterben, ich danke Dir, mein Kind, Gott segne Dich.“
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Onkel Stein verhielt sich dem Erfolge seines Neffen gegen—
über begreiflicherweise ziemlich kühl. Die Einleitung des Briefes,
der als Antwort auf die guten Recensionen kam, war wohl ein