Volltext: Zu Nürnberg

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„Ja, wenn man wüßt' wo sein Herr Pat' wär',“ seufzte 
Frau Lisbeth zuweilen, „dann ging's leichter. Der thät' was 
für den Buben. Der ist in Kalifornien gewesen und hat das 
eitle Gold auf der Straße aufgelesen. Jetzt lebt er irgendwo 
im Überfluß, aber an seine arme Schwester und sein Patenkind 
denkt er nicht.“ 
Martin pflegte dann zu beschwichtigen: „Laß gut sein, es 
wird schon auch so geh'n. Gar arg lang wird's nicht mehr 
dauern, bis unser Bub „was ist“, dann hat er's uns allein zu 
danken. Wird's auch thun, glaubst Du's, Alte?“ 
Ob sie's glaubte! Konnt's doch auf der ganzen Welt 
keinen braveren, liebevolleren, gescheidteren Sohn geben, als 
den ihren. 
Heinrich selbst machte sich wenig daraus, ob er in die 
Volksschule oder auf's Gymnasium geschickt wurde, ob er Drill— 
oder Tuchhosen anhatte. Lernen mochte er ja gern, es interessierte 
ihn alles, was der Herr Lehrer sagte. Aber er wäre mit einem 
einfacheren Lehrplan auch zufrieden gewesen. Nur eines paßte 
dem lebhaften Jungen ganz und gar nicht: daß er seiner „ßZu— 
kunft“ wegen auch in der heißesten Sommerzeit mit Strümpfen 
und Schuhen gehen mußte. Er wäre viel lieber barfuß ge— 
laufen, wie sein Freund Peter. 
Peter war überhaupt viel beneidet von ihm. Erstens, 
weil er der Sohn des Aufsehers war, welcher den im Tier— 
gärtnerthorturm befindlichen Teil der Aufseß'schen Altertums— 
sammlung zu bewahren hatte. Peter durfte manchmal hinauf, 
um dem Vater eine Botschaft zu bringen und konnte dann dem 
Freunde nicht genug von den wunderlichen Schriften, Bildern, Ge—⸗ 
fäßen u. s. w. erzählen, die dort oben aufgestapelt waren. 
Heinrich hätte diese Dinge für's Leben gern auch einmal ge— 
sehen. 
Weiter beneidete er Peter, weil dieser stets in alten, ab— 
getragenen Kleidern ging, niemals auf seinen Anzug acht geben 
mußte, also ungehindert über Hecken und Zäune klettern konnte.
	        
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