Volltext: Beiträge zu Dürers Weltanschauung

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und seinem persönlichen Geschmacke entsprechend künstlerisch 
abzuwandeln und auszugestalten, je nach dem Maasse seiner Fähig- 
keiten, immer aber nur soweit, dass sie auch in neuer künst- 
lerischer Fassung den Zeitgenossen ohne weiteres verständlich 
blieben. 
Das ist alles nichts Neues und es wäre nicht nötig, sich so 
lange bei diesen Erörterungen aufzuhalten, wenn man nicht gerade 
in diese Schöpfung Dürers, die von jeher mit Vorliebe zum Maass- 
stab für sein künstlerisches Vermögen gewählt worden ist, gerade 
in neuester Zeit wieder eine solche Menge Ungereimtheiten hinein- 
individualisiert hätte. Für die Beurteilung der Melancholie im 
nächsten Kapitel möchte ich zugleich diese Gesichtspunkte festge- 
halten wissen. 
Dass .das Gesetz ganz naiver Herübernahme künstlerischer 
Gedanken aus den Werken der Vorgänger oder Mitlebender 
neuerdings auch für Meister wie Raffael und Michelangelo erhärtet 
worden ist, daran sei nur beiläufig erinnert. Es gibt wirklich zu 
denken, ob die modernen Begriffe von geistigem und künstlerischem 
Diebstahl für die Entwicklung der Kunstforschung wie auch der 
modernen Kunst zum Segen geworden sind. 
Und sollte denn wirklich Dürer etwas von seiner künstleri- 
schen Grösse einbüssen, wenn wir nun wissen, dass weder das 
Thema seines‘ Reiters von ihm erfunden zu werden brauchte, noch 
die Gestalt des gewappneten christlichen Ritters selbst samt seinem 
Hunde, noch das furchtlose Vorbeireiten an Tod und Teufel, ja 
dass selbst die Stimmung unerschütterlichen Gottvertrauens, die 
über dem herrlichen Kunstwerk von 1513 ausgebreitet liegt, in 
den künstlerischen und litterarischen Vorläufern des 15. Jahrhunderts 
schon anklingt? Ich meine das Gegenteil ist der Fall. Nun erst 
vermögen wir ganz gerecht zu würdigen, was Dürer in diesem 
Blatte künstlerisch geleistet hat, welche Fülle gewaltiger Gestaltungs- 
kraft von ihm ausgeströmt ist, und wie dadurch, nicht aber durch 
Hereinziehung neuer Gedanken, die grosse gedankliche Vertiefung 
erreicht worden ist. 
Dürer hat als der erste, aus den durch Beischriften und um- 
ständliche Belehrungen erläuterten Holzschnittbildern ‘der alten 
Zeit ein ‚wirkliches Kunstwerk geschaffen, das auf sich ‘selber 
steht. das alles aus sich selbst heraus erklärt und sagt, ohne das
	        
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