Volltext: Beiträge zu Dürers Weltanschauung

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des Meerwunders von K. Lange, Grenzboten 1892.) Und dabei 
schloss er sich, wie alle Künstler seiner Zeit, ganz naiv an das 
an, was andere vor ihm geschaffen hatten, im Inhalt, und wenn 
es ihm gefiel auch in der Composition oder einzelnen künstlerischen 
Motiven, wie sie ihm gerade brauchbar erschienen. Das ist in 
Bezug auf den Anschluss seiner Passionsfolgen an die Schongauers, 
seiner Apokalypse an die Holzschnitte der Koburger’schen Bibel 
schon längst im Einzelnen nachgewiesen und allbekannt. Dieselbe 
Beobachtung lässt sich auch auf viele andere Blätter seines 
Werkes ausdehnen. Wir sehen nun, dass es auch auf solche 
Schöpfungen zutrifft, deren Volkstümlichkeit bisher noch be- 
zweifelt wurde und die bisher als tiefste Offenbarungen seines 
erfindenden Genius, als sein persönlichstes gedankliches Eigentum 
gefeiert worden sind. Es ist eine, manchem vielleicht unbe- 
wusste, Abfärbung unseres allzu individualistischen Zeitalters, 
wenn wir den Maässstab, wie wir ihn im Zeitalter eines Böklin, 
Klinger, Thoma, Greiner an das künstlerische Schaffen anzulegen 
gewohnt sind, unbesehen übertragen auf eine Zeit, mit deren 
historischem Charakter sich ein solcher Grad von Individualismus 
einfach nicht verträgt. Hier liegt zweifellos eine gewisse Gefahr 
und ganz unnötige Erschwerung für die kunstgeschichtliche Forsch- 
ung verborgen, — die sich übrigens auch auf anderen Gebieten 
historischer Arbeit zur Zeit bemerkbar macht. 
Man. thut Dürer und seiner Zeit einfach Unrecht, wenn man 
unsere. modernen hochgespannten Begriffe vom künstlerischen und 
geistigen . Eigentum zum Ausgangspunkte nehmen will. Dürers 
künstlerische Absichten gingen nach ganz anderer Richtung, wie 
wir gleich uns näher vergegenwärtigen werden. In. den Gedanken 
und Vorstellungen wurzeln die Künstler jener Zeit ganz fest in der 
allgemeinen geistigen Verfassung. Noch war die Nachwirkung der 
mittelalterlichen Tradition mit ihrer Festigkeit und Umschriebenheit 
der Anschauungskreise äusserst mächtig. Was der Kunst jener Zeit 
ihre innere Sicherheit und Stetigkeit verleiht, das ist ja gerade die 
Thatsache, dass die Künstler sich richten nach den praktischen 
Aufgaben und Anforderungen der jeweiligen Gegenwart. Die 
Stoffe werden dem Künstler fertig und vielfach auch schon in 
gefestigter Form entgegengetragen, die Aufgaben werden ihm gestellt, 
und seines Amtes ist es nun, diese Aufgaben zu durchdringen
	        
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