14.
sich derselbe ja als ihr Gegenbild dar, wie schon Springer und
andere hervorhoben: durch den Gegensatz in der Beleuchtung.
Die Melancholie sitzt tief beschattet, dämmeriges Zwielicht erhellt
mit mattem Scheine nur ungenügend die Scene, die Schatten sind
vorherrschend und für den künstlerischen Gesamteindruck maass-
gebend. Das Gemach des heiligen Hieronymus dagegen ist ganz
durchflutet von Lichtstrahlen. Sonnige Klarheit und Heiterkeit
ist über das Ganze ausgebreitet, die auch die entferntesten Einzel-
heiten in deutlichstem Lichte erkennen lässt. Unzählige Reflexlichter
spiegeln die Sonnenstrahlen wieder, die so warm durch die Büutzen-
scheiben der Fenster hereindringen. „Ein festgenageltes Stück
Sonnenschein“ hat Herman Grimm einmal das Blatt hübsch be-
zeichnet. Der Gegensatz zu dem düsteren Bilde der Melancholie
ist so offenbar, dass Dürer mit gutem Rechte darauf verzichten
durfte, durch besondere Numerierung den Hieronymus als Gegen-
bild kenntlich zu machen.
Der ganze Trilogie-Gedanke war also ein Umweg, den man
sich eigentlich hätte ersparen können. Der Forschung erwächst
die Aufgabe, bei den früheren Einzeldeutungen des Reiters und
Gegenbilderdeutungen der beiden anderen Blätter wieder einzu.
setzen.
Begleiten wir also zunächst den christlichen Ritter auf seiner
einsamen Fahrt, die er fürderhin wieder ohne die Gesellschaft
von Melancholie und Hieronymus fortzusetzen hat.
II. KAPITEL.
Dürer’s Reiter und das Handbüchlein des christ-
lichen Ritters von Erasmus von Rotterdam.
Wenn man alles überschaut, was bisher über Dürers „Ritter
Tod und Teufel“ und die Beziehungen dieses Blattes zu seiner
Zeit geschrieben worden. ist, so empfindet‘ man die moderne
Spezialisierung der Wissensgebiete doppelt unbehayglich. Wie viel